Rezension

Entdeckung der eigenen Bedürfnisse auf dem Jakobsweg

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam - Hannelore Hallek

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam
von Hannelore Hallek

Bewertet mit 4 Sternen

HanneLore Hallek begibt sich zusammen mit einer Freundin auf den klassischen Jakobsweg, den navarrischen Weg von St.-Jean-Pied-de-Port über die Pyrenäen auf den Hauptweg, den Camino francés. Sie ist verheiratet und Mutter von vier Söhnen. In einem September startete sie mit all den Ängsten und Befürchtungen, die ich auch hätte: Schaffe ich das überhaupt? Was ist mit Blasen an den Füßen, Rückenschmerzen, Krankheit? So vieles prasselt am Anfang auf den Pilger ein: Wie finde ich den Weg, wie weit kann ich gehen, wo schlafe ich, was und wo esse und trinke ich, wie verständige ich mich?

Was ist das für eine Faszination, die von diesem Weg ausgeht? Doch anfangs steht die Sorge um das Morgen im Vordergrund, man muss sich einpassen und anpassen, mit der allzu großen Nähe in Gemeinschaftsschlafräumen und Waschräumen zurecht kommen. Mit der Zeit pendelt sich alles ein und der Pilger-Alltag wird ein wenig Routine, soweit eine Wanderung ins Ungewisse überhaupt zur Routine werden kann. Dafür tauchen schon ganz am Anfang Irritationen zwischen ihr und ihrer Freundin Maja auf, die ihren Ausdruck darin finden, dass HanneLore ihre Bedürfnisse immer hintenan stellt und nicht artikuliert. Insgeheim ärgert sie sich aber, dass sie in den Etagenbetten immer oben schlafen soll und morgens immer auf Maja warten muss. Es dauert ein wenig, bis sie darin ein Muster und Änderungsbedarf für ihr Leben erkennt.

Die Probleme mit Maja verdichten sich. HanneLore stellt sich Fragen, die sich viele Menschen stellen, die mit anderen eng zusammen leben, die gar Kinder versorgen müssen. Es scheint eine Gratwanderung zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen der anderen zu sein. Als bei HanneLore das Gefühl überhand nimmt, von Maja unerträglich gebremst zu werden und sich immer nur nach ihr richten zu müssen (‚die Fortsetzung meines lebenslangen Kompromisses‘), trennen sie sich und jeder geht für sich weiter.

„Ich fühlte mich frei und entlastet ...Und vor mir liegt die Weite der Meseta.“

Halleks kurze, aber anschauliche Beschreibungen vermitteln ein gut vorstellbares Bild der Menschen und Landschaften, der Dörfer und Städte. Obwohl sie keine Schriftstellerin ist, versteht sie es, ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen, ihre Gedanken, ihre Eindrücke mit der Beschreibung von Land und Leuten zu einem bildhaften, homogenen Ganzen zu verweben.