Rezension

Erfüllt die Erwartungen nicht

Das Leben, das uns bleibt -

Das Leben, das uns bleibt
von Tanja Steinlechner

Bewertet mit 2 Sternen

Langatmig.

Ruth ist eigentlich keine Goldschmiedin. Sie muss ihre Lehre in der Schmuckabteilung eines Kaufhauses abbrechen, als sie mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern wegen ihrer jüdischen Herkunft oder wegen der herannahenden Russen aus Breslau fliehen muss. Dabei verliert sie nicht nur ihre Heimat, sondern auch ihre große Liebe. In Freiburg lernt sie dann den Sohn des Inhabers eines Juwelierladens kennen. Und weil sie es immer allen Recht und ihrer Familie keine Sorgen machen möchte, heiratet sie ihn, obwohl sie noch immer an ihre alte Liebe denken muss. Eine starke Frau ist sie also (lange) auch nicht. Im stillen Kämmerlein entwirft sie Schmuck und lässt sich nach Feierabend von einem Goldschmied a. D. Nachhilfestunden in Sachen Handwerk geben. Und natürlich ist sie es, die mit ihrem Verkaufstalent und ihren Entwürfen den Laden vor dem Untergang rettet, als Vorwürfe laut werden, ihre Schwiegervater habe den Laden einst einem Juden abgepresst.

Obwohl die Idee eigentlich viel Potential zu einem spannenden historischen Roman böte, ist dieser das schließlich auch nicht. Statt spannender Handlung arbeitet sich der Leser seitenweise durch Gefühlsergüsse der Protagonistin oder zur Abwechslung den Träumen ihrer jüngeren Schwester sowie die sozialkritischen Anwandlungen des Bruders, der sich anklägerisch an die Nachkriegsgesellschaft wendet, die die Vergangenheit zu vergessen bestrebt ist. Allein durch den sprunghaften Wechsel fällt es schwer, in der Geschichte anzukommen. Im letzten Drittel dann verhalten sich die Figuren so unmotiviert, dass es schwer fällt, das Gelesene noch Ernst zu nehmen. Figuren, die zuvor noch aus Liebesschmerz bereit waren, alles zu tun, entdecken auf einmal, dass sie sich dem eigenen Geschlecht eher zugehörig fühlen, oder vermeintlich Turtelnde offenbaren, dass dies alles nur vorgetäuscht war und in Wirklichkeit alles ganz anders.

Für Ruth erscheint quasi als deus ex machina die alte Freundin Marga aus Berlin, die die Lösung all ihrer Probleme auf einem Silbertablett serviert. Dabei gerät sie mit ihren markigen Sprüchen und Lebensweisheiten und ihrer pseudo-berliner Schnauze wohl eher unfreiwillig zur Witzfigur.

Ruth muss sich nur noch entscheiden, zu allem Ja und Amen zu sagen. Macht das eine starke Frau aus, als die sie dem Leser angepriesen wird?