Rezension

erschreckend

I'm Dancing as Fast as I Can - Barbara Gordon

I'm Dancing as Fast as I Can
von Barbara Gordon

Bewertet mit 4 Sternen

Barbara Gordon, mit mehreren Preisen ausgezeichnete Dokumentarfilmerin, die bei NBC und CBS gearbeitet hat, schildert hier ihre Valiumabhängigkeit und ihren schwierigen Weg da raus, der sie fast umgebracht hat. Leider verschreiben auch heutzutage noch immer Ärzte viel zu schnell Tranquilizer / Benzodiazepine wie z.B. Valium. Die Entgiftung davon und der Weg aus der Abhängigkeit ist auch immer noch sehr schwer und kann mit Psychosen einhergehen, aber was B. Gordon in den 70-zigern in den USA erlebt hat, wirft ein sehr erschreckendes Licht auf die damaligen Therapeuten und die Psychiatrie. Sie hat Glück gehabt, bei ihrem zweiten psychiatrischen Klinikaufenthalt eine gute Therapeutin zu bekommen, aber ein Mitpatient hatte nicht so viel Glück. Wie dessen Therapeutin mit diesem umgeht ist haarsträubend. Überhaupt sind die Zustände schrecklich. Da ich in der Psychiatrie arbeite, bin ich froh, dass sie heutzutage zumindest bei uns anders sind. Anderes dagegen ändert sich wohl nie. So gibt es auf der Akutstation immer schwerkranke Menschen und auch, wenn besser mit ihnen umgegangen wird, ist ihr Verhalten, ihre Distanzlosigkeit oder ihre Lautstärke (und manchmal auch ihre Gewaltausbrüche) für die anderen Patienten oft nur schwer auszuhalten, da sie ja selbst dünnhäutig und in einem Ausnahmezustand sind. Was ich so schrecklich finde, ist, wie das Personal z.T. mit den Patienten umging, vor allem die Therapeuten. Beim Pflegepersonal findet B. Gordon bei einigen Trost und Gehör.

Gut finde ich, wie sie ihren Zustand nach Absetzen des Valiums beschreibt, ihre Wahnideen, ihre Depression und ihren Zerfall, sodass sie das Gefühl hat, nicht mehr sie selbst zu sein und dauernd mit der Frage ringt, wer sie eigentlich ist und warum sie nichts fühlt. Es war sicher nicht einfach, dieses Buch zu schreiben, vor allem, weil eine psychische Erkrankung damals (und heute leider auch noch manchmal) noch mit einem Stigma behaftet war. Die Autorin hat sich dazu durchgerungen, ihre schmerzhafte Erfahrung zu teilen, um Wach zu rütteln in Bezug auf die sorglose Einnahme von Tranquilizern und um ihrer Empörung über die ärztliche Inkompetenz Luft zu machen. Außerdem war sie es leid, dass die Leute heimlich reden, sie aufgrund ihrer Erkrankung keinen Job mehr bekam, trotz diverser Auszeichnungen vorher und sie wollte diesem Getuschel ein Ende bereiten. Entstanden ist ein beklemmendes Buch, dass aber auch viel Hoffnung macht. Beklemmend, weil es zeigt, wie lang und schwierig der Weg ist, bis die Seele wieder heilt, bis man wieder "ganz" ist, wie gefährlich Diazepam und Co sind und dass es vom Zufall abhängt, ob man das Glück hat, einen guten Therapeuten zu bekommen. Und Hoffnung macht das Buch insofern, als dass es zeigt, man kann auch nachdem man in die Abgründe seiner Seele geblickt hat, wieder zu sich selbst finden, auch wenn es lange dauert (In diesem Fall war es über ein Jahr nach dem 5-monatigen Klinikaufenthalt, dass die Autorin langsam wieder das Gefühl hatte, sie selbst zu sein), da das Valium sie so abgestumpft hatte, dass sie sich selbst und ihre Gefühle nicht mehr gespürt hat.

Ein wichtiges Buch, dass einen tiefen Einblick gibt, in das Innenleben einer psychiatrischen Patientin und deren Genesung.