Rezension

Erste Gedichte

Herz über Kopf - Ulla Hahn

Herz über Kopf
von Ulla Hahn

Kann man heute noch Gedichte schreiben, ohne dass sie abgeschmackt wirken? Als 1981 Ulla Hahns erster Gedichtband "Herz über Kopf" erschien, wurde er von Marcel Reich-Ranicki hoch gelobt, doch andere Kritiker bemängelten, dass sie zu konventionell und zu wenig innovativ seien. Ich bin kein Kritiker, und für mich darf ein Gedicht auch einfach nur "schön" sein. Schön heißt hier für mich, dass ich die Empfindungen als echt erlebe und mich angesprochen fühle. Ulla Hahn schreibt von Liebe und Leidenschaft, von Sehnsucht und Warten, von Trauer und Wut. Ich kann mich hier wiederfinden! Und dass es der Autorin dabei gelingt, auch klassische Formen wie ein Sonett zu schreiben, gefällt mir - auch Motive aus Märchen oder Anklänge aus Troubadour-Lyrik wiederzuerkennen freut mich, und ich frage mich, was ich wohl noch alles an Anspielungen übersehen habe. 

Von Ulla Hahn hatte ich bis jetzt "nur" die drei großen Romane um Hilla Palm gelesen; im letzten (Spiel der Zeit) wurde immer wieder eine verfremdende Distanz geschaffen durch Hinweise auf die Autorin, durch Anspielungen auf ihre Werke (z. B. den Erstlingsroman "Ein Mann im Haus") und durch Einstreuen einiger Gedichte, andererseits durch ihr explizites Abrücken von ihrer eigenen Romanfigur. Das hat mich neugierig gemacht und ich habe nun zum ersten Mal zu ihren Gedichten gegriffen. Sie haben mich berührt - und ich werde sicher noch weitere Bände von ihr lesen.