Rezension

Expedition zu den Buschmännern im Okavango-Delta und in der Kalahari

Die verlorene Welt der Kalahari - Laurens van der Post

Die verlorene Welt der Kalahari
von Laurens van der Post

Bewertet mit 5 Sternen

Der Icherzähler des romanhaften Reiseberichts interessiert sich seit frühester Keinheit für die Kultur der Buschmänner; denn die Mutter seines Kindermädchens war eine San. Erzählungen und Mythen, die er als Kind hörte und jahrhundertealte Felszeichnungen beeindruckten ihn nachhaltig. Obwohl in seiner Kindheit auf fast jeder Farm eine Buschmann-Familie lebte, halten sich die Erwachsenen bei Fragen nach der Ausrottung des Volkes zu Beginn des 19. Jahrhunderts auffällig bedeckt. 1955 rüstet der Erzähler eine Expedition ins Okavango-Delta aus. Hier am Rand des Kalahari-Beckens sollen auf Inseln im Delta noch vereinzelt Buschmänner leben. "Wähle Männer für eine Expedition, die du schon seit mindestens fünf Jahren kennst". Diesen weisen Rat eines alten Jägers befolgte der Expeditionsleiter bei der Zusammenstellung seines Teams nicht konsequent und musste später die Folgen tragen.

Zu Beginn der Regenzeit startet ein Team von 40 Mann aus Maun und Kasane im Norden des heutigen Botswana, in der Hoffnung, dass die San zu dieser Zeit aus dem Delta in die Kalahari ziehen werden. Der größere Teil der Expedition findet an und auf den Flussarmen des Okavango statt. Wenn das Wasser im Delta hoch steht, konzentrieren sich die Löwen auf den wenigen nicht überfluteten Flächen. Jeden Morgen sind um das Lager herum ihre Spuren zu sehen. Als für die Teilnehmer feststeht, dass wohl keine Buschmänner mehr am Fluss leben, brechen sie ihr Lager an dieser Stelle ab und suchen Kontakt zu einer Buschmann-Sippe in der Kalahari. Als einzige Landmarke werden die Tsodilo-Berge genannt, ein Trockengebiet westlich des Okavango an der Grenze zu Namibia.

Für die Organisation des Projekts werden alte Freundschaften genutzt und u. a. ein System von Anwerbestellen für Arbeiter, die südafrikanische Minen in der Gegend unterhalten. Die Logistik des Unternehmens ist äußerst anspruchsvoll; riesige überflutete Flächen des Deltas müssen umfahren werden und die Mitglieder des Expeditionsteams erwarten regelmäßig Wild auf dem Teller. Berichtet wird aus der Perspektive des Expeditionsleiters, der die Verantwortung für die körperliche Gesundheit und die psychische Verfassung seines Teams trägt. Außerdem steht er mit seinem guten Namen für den Erfolg des Unternehmens gegenüber Auftraggebern und Sponsoren.

Van der Post versteht, mitreißend zu erzählen und das Revier von Flußpferd und Krokodil, in dem die Gruppe im Einbaum (Mokoro) unterwegs ist, wie in einem Dokumentarfilm für den Leser zum Leben erwecken. Die Person des humorvollen, fürsorglichen Expeditionsleiters, der selbst kaum am Erfolg seiner Unternehmung zweifelt, unterscheidet den 1958 zuerst in London veröffetnlichten Reisebericht von seinen moderneren Nachfolgern. Ein Abenteuerer oder Tierfilmer der Gegenwart würde seine Ängste und Zweifel wohl offener beschreiben. Die abweichende Schreibung der Eigennamen (z. B. Makorro statt Mokoro) könnte ebenfalls aus den 50er Jahren stammen. Weniger romanhaft würde der Reisebericht wirken, wäre er mit Karten-Skizzen und exakten Daten versehen.

Von van der Posts fesselndem Reisebericht ins Okavango-Delta und die Kalahari, der Verständnis für die Kultur der Buschmänner weckt, würde ich zu gern glauben, dass er authentisch ist und die Expedition genauso stattgefunden hat. Sicher kann man sich bei der abenteuer- und fabulierlustigen Persönlichkeit van der Posts nie sein.

Über den Autor:
Laurens van der Post wurde 1906 in Philippoles (Südafrika) als elftes von dreizehn Kindern geboren. Sein Vater Christiaan van der Post war niederländischer Abstammung, seine Mutter war deutschstämmig. Der Vater arbeitete als Rechtsanwalt und Politiker; im zweiten Burenkrieg hatte er gegen die Briten gekämpft. Seit 1929 schrieb Laurens van der Post in Südafrika für die Cape Times. Er diente als Offizier der britische Armee im Zweiten Weltkrieg in Abessinien, Nordafrika und Indonesien und verbrachte vier Jahre in japanischer Kriegsgefangenschaft. Van der Post, ein vielseitig interessierter Forschungsreisender und Völkerkundler, war eng mit dem Psychoanalytiker C. G. Jung befreundet. Nach 1949 unternahm van der Post zahlreiche Expeditionen in unbekannte Regionen Afrikas, seine bekannteste Expedition war Grundlage seines Film und Romans "Die verlorene Welt der Kalahari". Van der Post, der erste südafrikanische Schriftsteller, der den Rassismus Südafrikas kritisierte; starb 1996 in London. Der Autor ist nicht unumstritten, da Teile seiner Biografie sich nicht durch entsprechende Quellen belegen lassen. (NZZ online, 9.12. 2006)