Rezension

Faszinierend und außergewöhnlich

Ein angesehener Mann - Abir Mukherjee

Ein angesehener Mann
von Abir Mukherjee

Bewertet mit 5 Sternen

FASZINIEREND und absolut außergewöhnlich, vor allem für ein Debüt, ist für mich der im Juli 2017 im Heyne-Verlag erschienene Roman "Ein angesehener Mann" des jungen britischen Autors Abir Mukherjee. Ist es ein Krimi, ein historischer Roman oder ein historischer Krimi? Es ist aus meiner Sicht in jedem Fall eine absolut spannende zeitgeschichtliche Schilderung Indiens, im speziellen Fall Kalkuttas, unter britischer Herrschaft im Jahr 1919; die Kolonie Britisch-Indien bestand von 1858 bis 1947. Auch der Ort ist für uns deutsche Leser eher außergewöhnlich und macht die Geschichte nur noch spannender. Im Zuge der Aufklärung eines Mordfalls an einem hochrangigen britischen Verwaltungsbeamten lernt der gerade frisch aus England nach Kalkutta versetzte Kripo-Captain Sam Wyndham - und mit ihm der Leser - ganz unvoreingenommen (objektiv) das von Briten beherrschte, zerrissene Land kennen. Äußerst geschickt, fast genial, versteht es der indischstämmige Autor durch die Augen des Engländers die damalige Situation vor Ort mit ihren offensichtlichen und hintergründigen Problemen zu beschreiben. Unaufdringlich zeigt der Autor die politische und gesellschaftliche Situation, die Spannung zwischen den (selbst untereinander zerstrittenen) indischen Volksgruppen und den Briten, zugleich die zwischenmenschliche Abhängigkeit voneinander und die Schwierigkeit, selbst bei gutem Vorsatz miteinander auskommen zu können. Abir Mukherjee versteht es, das schwierige und scheinbar unlösbare Geflecht der politischen und sozialen Situation in Britisch-Indien vor 100 Jahren auf leicht verständliche Weise zu schildern, dass es auch historischen Laien Freude macht weiterzulesen. Selten in direkter Beschreibung, meistens durch Unterhaltungen seiner Protagonisten lässt der Autor die Historie lebendig werden. Dabei bleibt das Buch ein spannender Krimi, der am Schluss eine durchaus plausible Lösung hat, wenn auch vielleicht für den Captain und uns Leser etwas unbefriedigend. Aber so ist das wahre Leben! Gerade dieser Schluss ist dem Autor ungewöhnlich gut gelungen. Ich kann diesen Roman wirklich nur empfehlen. Ich bin jedenfalls ganz BEGEISTERT. Ganz klein ist auf dem Rücktitel "Sam Wyndham 1" zu lesen, was auf eine Fortsetzung hoffen lässt. Zumindest auf Englisch ist Abir Mukherjees zweiter Band "A Necessary Evil" um Captain Wyndham und seinen indischen Sergeanten Banerjee kürzlich erschienen.