Rezension

fesselnd und bewegend

Das Mädchen aus der Severinstraße - Annette Wieners

Das Mädchen aus der Severinstraße
von Annette Wieners

Bewertet mit 5 Sternen

Als Sabines Großmutter Maria das Haus verkaufen möchte, in dem sie seit Jahrzehnten wohnt, machen die beiden Frauen eine erstaunliche Entdeckung: Unter dem riesigen Wohnzimmerteppich finden sie mehrere Hunderttausend D-Mark, die der verstorbene Großvater Heinrich dort versteckt haben muss. Aber damit nicht genug, auch im Keller werden sie fündig: Dort hat Heinrich einige Goldbarren versteckt. Nazi-Gold? Die Vermutung liegt nahe. Sabine ist erschüttert. Hat sie ihren geliebten Großvater etwa all die Jahre mit ganz falschen Augen gesehen? Und was ist mit der Großmutter? Kann sie Licht ins Dunkel der Vergangenheit bringen?

Köln in den 30er Jahren: Maria, ein bildhübsches junges Mädchen aus gutem Hause hat einen großen Traum. Sie möchte Modell werden und die Welt sehen. Ihr Vater ist strikt dagegen, aber Rebellin, die sie tief im Herzen nun einmal ist, macht sie sich dennoch heimlich in die Nachbarstadt Düsseldorf auf, um ihren Traum zu verwirklichen. Dort trifft sie in einem Foto-Atelier auf den jüdischen Fotografen Noah, der, genau wie ihr Vater, alles daran setzt, sie von diesem Traum abzubringen, aber gleichzeitig ein Foto von ihr schießt, das ihre Karriere als Mary Mer besiegelt. Jung und naiv wie sie ist, sieht sie nicht, dass es sehr gefährlich sein kann, in diesen unruhigen Zeiten als hübsche blonde Frau aus der Masse herauszustechen und zwar nicht nur für sie selbst, sondern auch für alle, die sie liebt…

Die zwei Zeitebenen, auf denen die Geschichte spielt, werden hier gekonnt miteinander verwoben. Und während man mit Maria eher mitleidet, darf man sich für Sabine immer wieder aufs Neue freuen, dass ihr Leben, welches eine Zeit lang recht dramatische Wendungen erfahren hat, nun wieder in etwas ruhigere Gewässer führt und auch endlich wieder Platz für die Liebe lässt.

Annette Wieners ist hier ein unglaublich spannendes und gut recherchiertes Stück Zeitgeschichte gelungen. Ich konnte wunderbar eintauchen in die Geschichte und habe mitgefiebert, mitgetrauert und teilweise mit vor Wut und Verzweiflung geballten Fäusten das Unrecht ertragen, sodass mir das Herz ganz schwer wurde.

Es war auf der anderen Seite aber auch so schön mitzuerleben, wie aus dem naiven und etwas unbedarften Backfisch Maria eine junge engagierte Frau wird, die ihre Werte niemals aufgibt. Und auch, wenn es schwer war, unter dem Nazi-Regime seine Menschlichkeit zu bewahren, ihr ist es gelungen. Es braucht mehr solcher tapferer und mutiger Menschen wie Maria, gerade in der heutigen Zeit!