Rezension

Frauenleben im Jahr 1900

Fräulein Broich - Heidi Möhker

Fräulein Broich
von Heidi Möhker

Bewertet mit 4 Sternen

Henni Broich, Tochter des angesehenen Besitzers des Bonner Hotels Rheineck, hat andere Zukunftspläne wie ihre Eltern. Als ihr Vater eine arrangierte Ehe mit Eduard Zimmer, dem Sohn eines reichen Hoteliers, dem Hennis Vater Geld schuldet, plant, verlässt Henni Hals über Kopf die elterliche Wohnung. Henni möchte auf keinen Fall heiraten, da eine Heirat im Jahr 1900 für eine Frau bedeutet, jedes Selbstbestimmungsrecht über ihr eigenes Leben zu verlieren. Henni möchte als Krankenpflegerin ihren Lebensunterhalt verdienen. Bei ihrer Flucht nimmt sie die Dienste des Gepäckträgers Oskar Moosfeld, Sohn des Besitzers der heruntergekommenen Wirtschaft Schiffsgasse in Anspruch. Auf ihrem Weg ins Nonnenkloster, wo Henni hofft eine Unterkunft zu bekommen, werden die beiden Zeugen eines brutalen Überfalls auf den Hotelier Hansen. Im laufe der Geschichte kommen noch einige Hotelbesitzer ums Leben. Da Henni von den Nonnen abgewiesen wird, bietet ihr Oskar eine Unterkunft im elterlichen Wirtshaus an. Dort lernt Henni Oskars Schwester Meta kennen, die ein bemitleidenswertes Leben führt. Der versoffene Ehemann schlägt und erniedrigt sie. Der cholerische Vaterverhält sich auch nicht besser. Zusätzlich zu ihren vielfältigen Pflichten obliegt Meta die Pflege des Vaters. Als sich dessen Gesundheitszustand rapide verschlechtert, werden sowohl Oskar  als auch Metas Ehemann wegen versuchten Mordes verhaftet. Henni versucht gemeinsam mit Meta den Vorfall aufzuklären. Parallel dazu ist die Polizei um die Aufklärung der Morde an den Hoteliers bemüht.
Ich habe das Buch mit großem Interesse und wachsender Begeisterung gelesen. Das lag weniger an der Krimihandlung, die für mich weniger im Fokus stand, als viel mehr an den Lebensumständen der im Roman dargestellten Frauen. Henni versucht ein selbst bestimmtes Leben zu führen und stößt an die all zu engen Grenzen der damaligen Gesetze und gesellschaftlichen Meinung, wie eine anständige Frau zu leben hat. Henni lässt sich dadurch nicht entmutigen, sondern nimmt die Herausforderung an. Henni würde man heute, emanzipiert nennen. Welchen Unterschied macht dazu das trostlose und erbärmliche Leben von Meta. Hilf- und rechtlos ist sie den Zumutungen und körperlichen Angriffen von Ehemann und Vater ausgeliefert. Rechtliche Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren hat sie nicht. Hennis Mutter Charlotte ist zu Beginn entsetzt über die modernen und von der Gesellschaft nicht geduldeten Ansichten ihrer Tochter. Im Laufe der Erzählung ändert sich ihre Meinung und sie zeigt Verständnis. Bei so viel Frauenpower soll auch Oskar nicht unerwähnt bleiben. Ich fand ihn sehr sympathisch. Er bemüht sich, Meta zu unterstützen und zu entlasten und gesteht Henni das Recht zu, selbst über sich zu entscheiden.
Der Autorin gelingt es, unterhaltsam verpackt geschichtliche Fakten bildhaft zu vermitteln. Ich bekam einen sehr interessanten und Detail reichen Einblick in die damaligen Lebensumstände. Dementsprechend halte ich das Buch eher geeignet und lesenswert für historisch interessierte Leser als für Krimiliebhaber.