Rezension

Frisch und aktuell - aber wo ist die Pointe?

Die juristische Unschärfe einer Ehe - Olga Grjasnowa

Die juristische Unschärfe einer Ehe
von Olga Grjasnowa

Bewertet mit 3 Sternen

Gleich Vorab muss ich sagen, dass ich es leider super schwierig finde diesen Roman zu bewerten, da ich mir selbst nicht sicher bin ob ich ihn mag oder nicht.

Aber erstmal das Positive: Man merkt dem Roman seine junge Autorin an. Er ist frisch, frech und ehrlich geschrieben und liest sich wirklich gut. Die Story von dem russischen Paar, das geheiratet hat, damit die Homosexualität beider nicht auffällt und zu Schikanen führt, finde ich interessant und erschreckend aktuell. Obwohl beide mittlerweile nach Berlin gezogen sind und sich dort freier fühlen, bleiben sie ein Paar. Beide haben Affären, hängen aber aneinander und bilden ein eingespieltes Team. Als nun Jounoun in ihn Leben tritt, stellt sich die Frage, ob man zusammenbleiben kann und will, obwohl man einen passenden Partner passenden Geschlechts gefunden hat. Diese Dreiecksbeziehung, die Bequemlichkeit die sich eingestellt hat die Frage ob und wie man Kinder möchte und was man mit seinem Leben generell anfängt sind hier geschickt verwoben. Eine fast schon klassische Quaterlife Crisis.

Was mir noch gefallen hat, war die Kapitelzählung. Hier geht es los bei -25 bis 0 und dann erst aufwärts. Die Idee hat mir gefallen, da auch die Geschichte erst auf einen Punkt beziehungsweise ein Ereignis zuläuft und dann weitergeht. Aber leider fängt hier auch schon der Teil an, der mir nicht gefallen hat. Wenn ich so eine gute Idee wie diese Kapitelzählung habe, suggeriere ich ja auch einen gewissen Verlauf. Abwärts bis hierhin und dann aufwärts. Leider war das Ereignis, das bei 0 passiert und Anfangs schon angedeutet wird kein Wendepunkt. Ich habe immer auf die große Wende gewartet, auf eine Veränderung, die aber ausblieb. Der Tiefpunkt selbst wird von den Charakteren „totgeschwiegen“ und kann so gar keine wirkliche Bedeutung bekommen. Am Ende bleibt leider viel nur angedeutet und ich hatte das Gefühl, dass trotz der vielen Dinge die passiert sind, ein Stillstand eingetreten ist.

Trotz seinem aktuellen Thema und der frischen Sprache - allein der Titel ist großartig!! - trat mir die Geschichte letztendlich zu sehr auf der Stelle. Sie bleibe vage und hat mich eher ratlos zurückgelassen. Die Andeutungen am Ende haben mich sehr gestört. Sie lassen das Gefühl zurück, dass man etwas nicht verstanden hat, was doch klar zwischen den Zeilen steht. Vielleicht wollte die Autorin auch nur eine Geschichte erzählen und auf nichts bestimmtes hinaus. Bei diesem doch sehr politischen Roman fände ich das allerdings genauso schade. Die juristische Unschärfe einer Ehe ist am ehesten etwas für Leser die Anspruch suchen und Neues entdecken wollen. Wer eine Lovestory erwartet oder einen spannenden Roadtrip durch den Ostblock, wird hier enttäuscht. Ich kann keine klare Empfehlung aussprechen aber abraten kann ich definitiv auch nicht.

Wenn jemand aus der Lektüre klüger geworden ist als ich, bin ich für Aufklärung dankbar! :)