Rezension

Frostige Weihnachtszeit

Am Anfang war der Frost - Delphine Bertholon

Am Anfang war der Frost
von Delphine Bertholon

Bewertet mit 4 Sternen

Weihnachten 2010. Nathan kommt mit seinen Kindern nachhause, wo er mit Mutter und Schwester gemeinsam Weihnachten verbringt. Unvermutet steht sein verschwundener Vater vor der Tür und mysteriöse Geschehnisse gehen in dem idyllisch anmutenden Familienhaus vor.

„Am Anfang war der Frost“ ist ein düsterer Familienroman, der sich mit Liebe, Verlust, dem Loslassen und der damit verbundenen Trauer auseinandersetzt. 

Nathan kommt an Weihnachten mit seinen beiden Kindern heim, um mit seiner Schwester und der Mutter die Feiertage zu verbringen. Doch die Stimmung ist alles andere als feierlich, als er erfährt, dass sein Vater kürzlich vor der Tür gestanden ist. Der Mann, der seine Familie vor 30 Jahren Hals über Kopf verlassen hat. 

Der Roman ist in zwei Erzählstränge unterteilt. Einerseits befindet man sich mit Nathan im Jahr 2010, wo er dieses irritierend-nüchterne Weihnachten mit seiner Familie verbringt. Seine Mutter ist kühl, die Schwester noch kälter und seine Kinder machen ihm durch mysteriöse Bemerkungen ein wenig Angst. Dann erscheint der längst verschollene Vater am Parkett, wodurch die Situation noch angespannter wird.

Nathan hat das Leben nicht besonders gut mitgespielt. Er hat sich schon immer allein gefühlt, als ob ihm von Anfang etwas gefehlt hätte. Als junger Witwer vermisst er seine Frau und gibt sich ganz der Erziehung seiner Kinder - der Zwillinge - hin. 

Besonders Nathans Geschichte hat mich berührt, weil man merkt, wie verloren er eigentlich ist. Es halten ihn einzig seine Kinder am Leben, ansonsten gibt es nur die Erinnerung an die wenigen Jahre mit seiner Frau. 

Der zweite Erzählstrang beschäftigt sich mit Grâce Batailles Tagebuch, worin sie ihr Leben festhält. Auf den ersten Blick ist es wunderbar, wären da nur nicht anfängliche Spuren des Alters in ihrem Gesicht, der Ehemann, der immer auf Reisen ist, und dieses Au-Pair-Mädchen, mit dem naiv-unschuldigem Blick. 

Diese Grâce im Jahr 1981 ist wütend, sie ist frustriert und ihre Verzweiflung lässt sich auf allen Seiten spüren. Dennoch schafft sie es nach Außen stoische Ruhe zu bewahren und gibt sich demonstrativ würdevoll. 

Trotz der angemessenen Beschaulichkeit geht ein eiskalter Schauer durch die gesamte Erzählung. Man ist Geheimnissen auf der Spur, fühlt, etwas Unaussprechliches zwischen den Zeilen, ist vom Schicksal der Familie irritiert und berührt zugleich, und ahnt, dass man langsam hinter die Fassade blickt.

Die Handlung an sich ist ein familiäres Drama, das trotz des ruhigen, nüchternen Erzählstils für ordentlich Furore sorgt. Es ist aufwühlend und - auch wenn es kein Krimi ist - schon fast ein roman noir, der durch eine dunkle Note besticht. 

Meiner Meinung nach ist es ein fesselnder Familienroman, der durch die drückende Stimmung, den ruhigen Stil und die Wucht der Ereignisse beeindrucken kann. Obwohl das Geschehen eher gedämpft vonstatten geht, brodelt es unter der Oberfläche bis es am Ende in seinem gesamten Umfang greifbar ist. 

Wer gern Familiengeschichten liest und es auch mal eher düster mag, wird in „Am Anfang war der Frost“ eine ideale Weihnachts- bzw. Winterlektüre finden.