Rezension

Für meinen Geschmack viel zu überzogene Geschichte über einen Hausbau

Das Dach kommt später - Murat Topal

Das Dach kommt später
von Murat Topal

Bewertet mit 3 Sternen

Murat Topal, ein waschechter Berliner mit türkischem Vater, hat sich nach 10 Jahren Dienst an der Waffe dem Comedybereich verschrieben. Ich persönlich habe ihn vor Lektüre dieses Buches nicht als Comedian gekannt, deshalb kann ich nicht sagen, ob das Buch seinem Talent auf der Bühne gerecht wird, das schonmal vorweg.

In diesem Buch erzählt Murat Topal also die Geschichte des Hauses, das er unter Blut und Tränen aufgebaut hat. Und zumindest das mit den Tränen ist nicht übertrieben...

Nachdem Murats Frau ihm verkündet, dass sie mit dem 2. Kind schwanger ist, wird es langsam an der Zeit, aus der gemieteten Streichholzschachtel in Berlin auszuziehen und sich was Größeres zu holen. Ein eigenes Haus soll es sein. Aber wie finanzieren? Das ist schonmal das 1. Problem. Das Einstiegsgespräch mit dem adligen und aalglatten Banker endet natürlich in einem Fiasko. Zum Glück hat Baba da die Idee, „Murat-Aktien“ an die Verwandtschaft zu verschachern, wenn auch mit eher mäßigem Erfolg. Wie genau am Ende das Vorhaben finanziert wird, hat sich mir nicht ganz erschlossen. Es wird nur öfter betont, dass man es sich eigentlich nicht so wirklich leisten kann, was man da alles so zahlen muss... Umso erstaunlicher, wie leichtfertig Herr Topal an die Sache rangeht. Natürlich, er hat keine Erfahrung im Bauen, da darf man sich schonmal Fehler leisten. Aber sollte sich der Autor manche Dinge nicht doch aus den Fingern gesogen haben, um die Geschichte etwas spektakulärer darzustellen, dann würde ich ihm am liebsten den Kopf abreißen! Es fängt ja schon damit an, dass er einen Vertrag bei einer Baufirma unterzeichnet, die sogar er als komplett inkompetent einstuft nach dem 1. Informationsgespräch. Da ihm nicht nur sein eigener, bis dahin noch gesunder Menschenverstand von dieser Firma abrät, sondern alle Anderen auch, schließt er den Vertrag aus purem Trotz ab. Ohne das Kleingedruckte zu lesen, versteht sich... Ab dem Zeitpunkt ist klar, dass das Unheil seinen Lauf nehmen wird. Und dass der Autor größtenteils selbst die Schuld daran trägt.

Ab dem Zeitpunkt fand ich das Buch dann aber auch nicht mehr lustig, sondern anstrengend. Mich haben diese ganzen Pannen einfach nur noch genervt statt unterhalten oder gar amüsiert. Herr Topal hat sich in jedem Kapitel immer tiefer in die Sch... geritten und meist trotzdem nichts draus gelernt. Wie man so dermaßen blauäugig an den Hausbau herangehen kann, erschließt sich mir einfach nicht. Und um das Ganze noch zu verschlimmern, fängt er auch noch an, Lügen zu erzählen. (Flunkern wäre zu harmlos.) Allein die Sache mit Dirk und dem Radlader hat mir übelst den Kamm anschwellen lassen angesichts des dreisten Verhaltens des Autors!

Die Figuren waren mir größtenteils unsympathisch. Herr Topal kam noch ganz gut weg. Er hat ja nur das Beste für seine Familie gewollt. Zwar hätte ich ihm öfter mal gerne den Kopf abgebissen, aber alles in Allem ist er schon ein liebenswerter Kerl, und an manchen Stellen hat er mir einfach nur leid getan.
Wirklich unsympathisch war mir die Ehefrau. Das tut mir leid zu sagen, denn die Frau existiert ja nunmal in Echt. Ich gehe davon aus, dass sie in dem Buch einfach falsch rüberkommt, ich da was falsch verstehe und/oder sie überspitzt dargestellt wurde. Ich bin mir sicher, die echte Frau Topal ist ein durchaus sympathisches Wesen. Aber in dem Buch... ich hab mich ständig gefragt, was die Frau eigentlich für den Häuserbau macht? Sie ist nur am Rumnörgeln. Es muss ein Haus her. Es muss schnell her. Murat muss alles machen. Sie selbst hat ein Kleinkind und ein Neugeborenes zu verpflegen, ok, das ist auch nicht ohne. Aber z. B. steht ja der Autor jede Nacht auf und wickelt und füttert das Baby, denn Frau Topal ist mit einem gesunden Schlaf gesegnet und hört noch nichtmal, wenn der eigene Nachwuchs in Not ist. Tagsüber zerreißt sich Murat dann zwischen seiner normalen Arbeit (Auch Comedians müssen ihre Auftritte organisieren und vorbereiten.) und dem ganzen Baustellenkram. Ich als Frau finde es einfach unverschämt, wie fordernd die Ehefrau ist und wie wenig sie selbst tut für das so ersehnte Eigenheim. Stattdessen ist sie nur am Zicken, Nörgeln und Heulen, und haut dann auch noch ganz ab. Total daneben!

Wirklich sympathisch finde ich Baba, Murats Vater. Der einfach immer wieder anpackt und versucht, den Schlamassel seines Sohnes geradezubiegen. Und dabei niemals einen Vorwurf über die Lippen bringt. Einfach liebenswert.
Die Mutter und die Schwiegereltern bleiben zu sehr im Hintergrund, als dass ich zu ihnen eine Meinung hätte. Bei Schwaben bin ich eh ein bisschen vorbelastet – die Eltern meiner schwäbischen Freundin sind tatsächlich die geizigsten Menschen, die ich kenne...
Die am Bau beteiligten „Fachleute“ sind natürlich allesamt unsympathisch, so muss das auch sein, denn sie sind ja allesamt Pfuscher, Stümper und Betrüger. Herrn Kosewitz finde ich anstrengend wegen seines Dialektes. Gegen Dialekt habe ich normal nichts, aber Berlinerisch und dann auch noch ein Sprachfehler, das ist einfach zuviel des Guten und hemmt den Lesefluss ungemein. Aber immerhin hat seine Unfähigkeit mir ein paar Schmunzler entlockt. Wenigstens bringt Herr von und zu Pfleiderer mit seiner unfassbaren Arroganz wenigstens ein bisschen Niveau in die Bude!

Murat Topals Schreibstil ist angenehm, direkt und durchaus amüsant. Das Talent zum Schreiben hat er meiner Meinung nach sicherlich. Allein – am Inhalt hapert es doch etwas. Mich hat die Geschichte einfach nicht gefesselt. Sollte wirklich alles genau so passiert sein, dann beglückwünsche ich Herrn Topal zum Titel „Pechvogel des Jahrhunderts“. Sollte er einiges hinzugedichtet, übertrieben haben, dann muss ich sagen, das war too much für mich. Ich war nach der letzten Seite regelrecht erschöpft und möchte niemals in meinem Leben ein Haus bauen müssen! Allerdings bin ich mir jetzt schon sicher, dass ich nicht so unüberlegt vorwärtspreschen würde, egal, wie wenig ich mich mit dem Hausbau per se auskenne. Und dass ich einen Partner an meiner Seite hätte, der mich unterstützen würde mit Leibeskräften, und sich nicht aufs Nörgeln und Fordern beschränken würde. Armer Herr Topal, beim nächsten Hausbau klappt hoffentlich alles besser!

P.S.: Das gute Stück in Berlin würde ich mir übrigens ja gerne mal angucken. Nach all den Katastrophen ging das mit dem Rest des Hauses dann ja doch schnell und problemlos. Doch nicht etwa, damit man noch schnell am Ende des Buches das rührselige Richtfest feiern kann?