Rezension

Ganz klar eine Entdeckung für mich

Das Kind der Lügen -

Das Kind der Lügen
von Helga Glaesener

Bewertet mit 4 Sternen

Wir befinden uns im Jahr 1929. Paula Haydorn arbeitet als eine der ersten Frauen bei der Hamburger Kriminalpolizei. Als Signe von Arnsberg hysterisch auf der Wache erscheint, weil jemand ihren Hund getötet hat, nimmt sich Paula ihrer an. Da es zu der damaligen Zeit kein Gesetz gegen Tierquälerei gibt und das Töten eines Tieres nicht strafbar ist, kann Signe jedoch keine Anzeige erstatten. Ein paar Tage später steht die Frau wieder hysterisch auf der Polizeiwache und behauptet, dass ihre Tochter entführt wurde. Sie wendet sich dieses Mal direkt an Paula und diese scheint ihr als einzige Person zu glauben.

Sehr schnell war ich total begeistert von dem Buch „Das Kind der Lügen“. Der Autorin Helga Glaesener gelingt es sehr gut, uns, durch ihren Atmosphäre schaffenden Schreibstil, in das Hamburg der damaligen Zeit zu entführen. Sowohl die Gebäude und Straßen entstehen vor meinem inneren Auge im Hamburg der 30er Jahre als auch die Personen. Das schafft sie unter anderem dadurch, dass sie uns die Unterschiede zur heutigen Zeit vor Augen führt. Wir erleben eine Hinrichtung, erfahren, dass Tiere nicht vom Gesetz geschützt werden und werden Zeuge, wie drei Frauen in aller Öffentlichkeit am helllichten Tag sexuell bedrängt werden und die Umstehenden nur zusehen. Die drei Frauen sind Polizistinnen und geben sich nicht als solche zu erkennen, um das übergriffige Verhalten der Männer zu stoppen. Das war für mich schon fast ein Schock. Denn es bedeutet, dass sie als Polizistinnen keine Autorität oder Macht hatten.

Die Ermittlungen werden schnell spannend. Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse nach meiner Ansicht zu sehr. Die Ermittler handeln ausnahmslos kopflos und ich empfinde sie aufgrund dessen als sehr anstrengend. Ständig möchte ich einschreiten und sie dazu auffordern, ihren Verstand zu nutzen, kurz nachzudenken und sich nicht nur von Gefühlen leiten zu lassen.

Den Titel des Buches „Das Kind der Lügen“ finde ich super gewählt. Denn im Laufe der Geschichte habe ich mich immer wieder gefragt, wer denn nun dieses Kind ist. Zu Beginn des Buches bin ich wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass damit das verschwundene Kind gemeint ist. Doch je mehr Personen wir beim Lesen kennenlernen, desto mehr Personen kommen in Frage als titelgebendes Kind.

Christiane Marx, als Sprecherin des Hörbuchs ist einfach genial. Sie lässt die Geschichte vor unserem inneren Auge entstehen. Sie liest mit viel Hingabe, Tempo und sehr abwechslungsreich von Beginn an. Eine bessere Sprecherin kann ich mir für diesen tollen Krimi nicht vorstellen. Als sich zum Ende hin die Ereignisse überschlagen und mir das dilettantische Handeln der Polizei zu viel wird, empfinde ich sie jedoch auch als sehr anstrengend, weil sie das Tempo und die Emotionen der Figuren sehr gut aufnimmt und transportiert. Also eigentlich genau das, was man von ihr erwartet, mir war es jedoch zu viel.

Fazit: spannende und abwechslungsreiche Geschichte, die bei den Ermittlungen mehr Verstand und weniger Emotionen vertragen könnte.