Rezension

Ganz nett, aber hatte mir mehr Geschichten erwartet

'Keine Ahnung, wo wir hier gerade sind' - Sina Pousset

'Keine Ahnung, wo wir hier gerade sind'
von Sina Pousset

Bewertet mit 3 Sternen

Ich bin selbst schon mehrere Male mit dem Fernbus gefahren, und mir gefällt diese meist kostengünstigere Art des Reisens, wenngleich man es auch hier immer mal wieder mit Unannehmlichkeiten wie nervigen Mitfahrern, zu wenig Platz, Verspätungen oder Kamikaze-Busfahrern zu tun hat. Mir persönlich ist bei meinen Fahrten jedoch noch nichts Irrwitziges passiert, und deshalb war ich umso gespannter auf Sina Poussets Erzählungen.

Eines muss man der Autorin lassen: Sie scheint ihr halbes Leben im Bus zu verbringen, reist kreuz und quer durch Deutschland und hat somit natürlich schon vieles erlebt. Sie kennt sich aus und hat Routine - sollte man zumindest meinen. Allerdings ist auch Pousset nach so vielen Fahrten nicht vor den Tücken des Busfahrens gefeit. Auf den letzten Drücker am Abfahrtsort ankommen, den Bussteig nicht finden, die wichtigsten Dinge unerreichbar nach unten packen, viel zu viel Gepäck mitnehmen und Wesentliches vergessen: Die Autorin ist herrlich unperfekt und steht auch dazu. Das machte sie mir schnell sympathisch.

Auch sprachlich wird hier einiges geboten. Poussets Schreibstil ist eloquent und pfiffig, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Humor und Selbstironie. Der Humor der Autorin gefällt mir.

Mir persönlich hat das Buch jedoch inhaltlich nicht so zugesagt. Ich hatte mir auf Grund des Klappentextes heitere Anekdoten aus dem Fernbus erhofft. Diese findet man hier jedoch nur selten und dann auch nur wenige Zeilen lang. Ansonsten ist das Buch eher eine Art nicht ganz ernst gemeinter Ratgeber rund um das Thema "Reisen mit dem Fernbus". Was ja auch nicht ganz verkehrt ist, aber wie gesagt, ich hatte etwas Anderes erwartet und mir haben die Geschichten gefehlt. So fand ich es nach einiger Zeit dann doch etwas langweilig und trocken, zwischendurch verließ mich auch mal die Leselust und ich legte das Buch ein paar Tage weg. Ich muss nicht x-mal mit der vollbepackten Autorin auf den letzten Drücker zum Bahnsteig hechten, um dann ihren pseudo-philosophischen Gedankengängen zu verschiedenen Themen zu folgen. Statt stereotype Beispiele aufzuzählen, hätte ich mir mehr konkrete Erlebnisse gewünscht. Dazu dann noch die Kästen, in denen selbst erfundene Begriffe wie "Der WLAN-Infarkt" oder "Die Ruckschuld" erklärt werden, welche ich persönlich nicht witzig fand und die den Lesefluss deutlich hemmten.

Von daher ist es vielleicht ein lustiges Geschenk für jemanden, der seine erste Fahrt mit dem Fernbus noch vor sich hat. Die Autorin hat schon auch interessante Gedankengänge und ich musste ab und zu schmunzeln. Schreibstil und Humor der Autorin sind klasse. Aber ich hätte mir hier statt eines Pseudo-Ratgebers eine Sammlung erfrischender Reiseanekdoten gewünscht und wurde mit diesem Buch leider nicht warm.