Rezension

Gefährliche Flucht

Über das Meer - Wolfgang Bauer

Über das Meer
von Wolfgang Bauer

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der Reporter Wolfgang Bauer, der u.a. für 'Die Zeit' arbeitet und der Fotograf Stanislav Krupar (Geo, National Geographic) haben sich zu einem gewagten, sogar lebensgefährlichen Unternehmen zusammengetan. Sie lassen sich Bärte wachsen, nehmen eine falsche Identität an und wollen zusammen mit einem befreundeten Syrer von Ägypten aus die Flucht übers Mittelmeer anzutreten um darüber zu berichten.

Es ist ein relativ dünnes, aber sehr beeindruckendes Buch, das das vage Bild 'im Boot übers Mittelmeer' präzisiert und in seinen schrecklichen Einzelheiten beleuchtet. Die Familie des wohlhabenden Syrers Amar war schon einmal geflohen, nach Ägypten, aber auch dort war für sie kein Leben möglich. Sie sind Bürger 2. Klasse und haben keine Zukunftsperspektive. Das folgende Zitat kommt mir doch allzu bekannt vor:

Syrer gelten vielen Ägyptern als Terroristen, die Unsicherheit bringen, als Schmarotzer, die ihnen die Jobs wegnehmen. (S. 9)

Die Familie beschließt, dass der Vater Amar die Flucht wagen und sie dann später nachholen soll. Also begibt er sich mit den Reportern in die Hand von Schleusern und entsprechenden Agenturen. Es ist unglaublich, in welchem Ausmaß dieses Geschäft in Ägypten betrieben wird, wie sehr die Notlage von Menschen ausgenutzt und sie finanziell regelrecht ausgequetscht und betrogen werden.

Wenn das Unternehmen wenigstens erfolgreich gewesen wäre! Aber alles geht schief und das scheint die Regel zu sein: Ausraubung, Entführung, Lösegeld-Erpressung. Die Gruppe von Flüchtlingen, die für ein Boot zusammengestellt ist, wird von einer konspirativen Wohnung in die andere gebracht, unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht, bevor es irgendwann doch auf ein marodes Boot geht, immer unter der Gefahr, von der Küstenwache aufgegriffen zu werden. Doch damit ist es noch lange nicht zu Ende ...