Rezension

Gefangen im Zauber der Sirenen

Syrenka - Elizabeth Fama

Syrenka - Fluch der Tiefe
von Elizabeth Fama

*Worum geht's?*
Vor hunderten von Jahren hat die Meerjungfrau Syrenka zu spüren bekommen, dass das menschliche Leben im Vergleich zu ihrem nicht unsterblich ist. Trotzdem entschied sie sich 1872, als sie den attraktiven Ezra kennenlernte, sich der Liebe hinzugeben und ein Leben an Land zu beginnen - nicht ahnend, welche Konsequenzen diese Entscheidung mit sich ziehen würde...
Viele Jahre später hat sich die siebzehnjährige Hester Goodwin entschlossen, ihr Herz niemals an jemanden zu verschenken, denn auf den Frauen ihrer Familie scheint ein Fluch zu liegen: Jede von ihnen stirbt kurz nach der Geburt ihrer Tochter. Hester will um jeden Preis vermeiden, dass eine weitere Generation darunter leiden muss. Doch dann lernt sie eines Tages einen jungen Mann namens Ezra kennen, der sie all ihre Vorhaben vergessen lässt. Sie nutzt jede freie Minute, um bei ihm zu sein, und fasst, von der Liebe beflügelt, einen neuen Entschluss: Sie wird herausfinden, was mit ihren Vorfahrinnen geschehen ist, statt davor wegzulaufen! Während sie in der Vergangenheit forscht, stößt sie jedoch auf ein Jahrhunderte altes Geheimnis, das unglaublicher kaum sein könnte...

*Kaufgrund:*
Das Cover hat mich magisch angezogen, aber auch die Geschichte auf dem Klappentext hat mich neugierig auf dieses Buch werden lassen.

*Meine Meinung:*
"Syrenka" beginnt mit einem märchenhaften Prolog. Er erzählt von Syrenka, einer Meerjungfrau, die sich verbotenerweise in einen Menschen verliebt. Ihre Gefühle sind so stark, dass sie die besorgten Warnungen ihrer Schwestern ignoriert. Sie würde alles tun, um ihrem Geliebten näher zu kommen, und lernt sogar seine Sprache. In jeder freien Minute beobachtet sie ihn und mit jedem Tag, der vergeht, wird die Distanz zwischen ihnen kleiner und kleiner. Bis zu jenem Tag, an dem Syrenka unvorsichtig wird und sich in seinem Netz verfängt. Doch er hegt keine bösen Absicht; er rettet sie und zusammen entdecken die beiden, welch starke Anziehungskraft sie aufeinander ausüben. Es könnte der schönste Tag in Syrenkas Leben sein, aber dann zeigt ihr ein Moment der Unachtsamkeit, wie zerbrechlich die Liebe ist. Nach diesem wunderschönen Einstieg in die Geschichte, der zugleich kaum grotesker sein könnte, ist es bereits um einen geschehen. Man ist von der Handlung gefesselt und möchte unbedingt erfahren, wie es mit Syrenka weitergeht.

Eben darauf liefert die Autorin Elizabeth Fama im ersten Kapitel allerdings keine Antwort, denn plötzlich befinden wir uns im Jahre 2012, fast 500 Jahre in der Zukunft, und lernen die siebzehnjährige Protagonistin Hester kennen. Sie ist eine zurückhaltende junge Frau, die sich bemüht, niemanden zu sehr an sich heranzulassen. Denn auf ihrer Familie lastet ein unheimlicher Fluch, der ihr schwer zu schaffen macht: Alle Frauen sterben kurz nach der Geburt ihrer Tochter. Obwohl sie sich selbst eine Familie und Kinder wünscht, weiß sie, dass sie sie niemals haben darf. Aber dann lernt sie Ezra kennen, den höflichen Gentleman, der ihr Herz zum Schlagen bringt, und ihr Vorhaben ist dahin. Aus der vorsichtigen, geschichtsbegeisterten Hester wird eine starke Kämpfernatur, die mit aller Macht versucht, den Fluch ihrer Familie zu brechen, um endlich selbst glücklich zu werden. Während ihrer unheimlichen Abenteuers verdient sie sich einige Male großen Respekt, der ihr schließlich einen festen Platz in meinem Leserherz sichern sollte.

Im nächsten Kapitel beginnt abermals ein völlig neuer Handlungsstrang. Die Handlung springt einige Jahrzehnte zurück in das Jahr 1872, in dem man den jungen Mann Ezra kennenlernt, der sein Studium in Harvard unterbrochen hat, um seinen todkranken Vater in Plymouth zu pflegen. Um sich abzulenken, beschäftigt er sich mit den Mythen und Legenden des Ortes. Besonders die Sagen um die Sirenen, die in der Bucht leben sollen, faszinieren ihn und lassen ihm keine Ruhe - zu Recht, wie er bald bemerken soll, als er der Meerjungfrau Syrenka begegnet. Die wunderhübsche Nixe hat sein Herz augenblicklich erobert. Nach mehreren Jahrhunderten der Trauer entschließt sich auch Syrenka, sich erneut auf die Liebe einzulassen, und so entwickelt sich zwischen den beiden eine sanfte Liebe, die unter einem schlechten Stern steht. Die entschlossene Syrenka versucht alles, um endlich ein Mensch werden und mit ihrem Geliebten zusammenleben zu können, und muss die entsetzlichsten Aufgaben bewältigen. Man verfolgt die Geschichte des ungewöhnlichen Pärchen mit einer gewissen Skepsis: Er gehört an Land, während sie die Nähe des Meeres sucht - wie kann das funktionieren? Man weiß genau, dass die Beziehung nicht problemlos und ohne Konsequenzen verlaufen kann, und wartet nur auf das große, unvermeidliche Unglück. Und obwohl man es geahnt hat, obwohl man es kommen gesehen hat, trifft einen das Unheil letztendlich härter, als man es für möglich gehalten hätte.

Elizabeth Fama erzählt also zwei verschiedene Handlungen parallel zueinander und springt von Kapitel zu Kapitel zwischen den Zeiten hin und her. Auf diese Weise bekommt man sowohl in Hesters als auch in Ezras und Syrenkas Geschichte ausführliche Einblicke, ehe die verschiedenen Handlungsstränge zaghaft zusammenlaufen und Stück für Stück ersichtlicher wird, wie die Schicksale der Charaktere miteinander verwoben sind. Die Autorin hat in "Syrenka - Fluch der Tiefe" ein kompliziertes und dichtes Netz aus Geheimnissen geknüpft, in dem sich der Leser ahnungslos verheddert. Erst durch die kleinen Puzzleteile, die Fama stetig in den Handlungsverlauf einfließen lässt, kommt er dem Rätsel des Fluchs langsam auf die Schliche. Dadurch entsteht nicht nur ein riesiger Spannungsbogen, der einen an das Buch fesselt. Man rätselt so konzentriert mit und liest jeden Satz so aufmerksam, dass man "Syrenka" viel intensiver und bewusster erlebt als so manch andere Geschichte. Die mitreißenden Fluten der Bucht vor Plymouth zerren einen in die Tiefen des Romans, aus denen man nicht mehr auftauchen mag.

"Syrenka - Fluch der Tiefe" ist mit seiner komplexen Struktur und seiner facettenreichen Handlung noch immer ein Jugendbuch und kann deshalb selbstverständlich nicht auf die obligatorische Liebesgeschichte verzichten. Im Gegensatz zu den meisten anderen ist diese hier jedoch etwas ganz Besonderes. Sie drängt sich nicht in den Vordergrund des Geschehens, sondern spielt sich ruhig im Hintergrund ab, und ist frei von klischeehaften oder kitschigen Färbungen. Zwar bemerken Hester und Ezra auch sehr schnell, dass sie ohne einander nicht leben wollen, aber sie müssen ihre Liebe nicht permanent bekunden und mit unglaubwürdigen Floskeln betonen. Ihre Gefühle sind einfach präsent - man spürt sie so deutlich, dass man sie erst gar nicht lesen muss. Die Liebe, die Fama zwischen ihren Figuren erblühen lassen hat, ist reifer und vielseitiger als so manch andere und kann vor allem deshalb überzeugen, weil sie keinen geraden Weg zum "Happy End" einschlägt. Sie verläuft bewegend, dramatisch und tragisch zugleich.

So wunderschön, gefühlvoll und berührend "Syrenka" auch sein mag - für sanfte Gemüter ist diese Geschichte sicherlich nicht! Elizabeth Fama nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, die Meerjungfrauen so handeln zu lassen, wie es ihrer Natur entspricht. Sie mögen wie Menschen aussehen und ihre Sprache sprechen, doch sie sind und bleiben fremde Wesen, die die Tiefen des Meeres beherrschen und andere Sitten und Gebräuche kennen. Sie sind ebenso heimtückisch und gefährlich wie sanftmütig und zärtlich und haben keine Seele, kein Gewissen, das auf sie einreden könnte. Daher kennen sie auch kein Erbarmen, wenn es darum geht, zu bekommen, was sie wollen. Es macht ihnen nichts aus, andere Wesen zu töten, aufzuschlitzen und ihre Innereien zu verschlingen. Was nun aber so abstoßend und erschreckend klingt, hinterlässt in "Syrenka - Fluch der Tiefe" einen völlig anderen Eindruck. Die blutigen Szenen schockieren nicht und sie widern nicht an - sie faszinieren und sind auf groteske Weise sogar kunstvoll.

Mit einer wortgewaltigen und bildhaften Sprache begeistert Elizabeth Fama ab dem Augenblick, in dem man mit dem Lesen beginnt. Wie die Sirenen, die die Seefahrer mit ihren Stimmen verzaubern, betört die Autorin ihre Leser und bezirzt sie, sich ganz und gar von der Geschichte verführen zu lassen. Innerhalb kürzester Zeit schafft Fama eine magische und atemberaubende Atmosphäre, die es unmöglich macht, sich von den Seiten des Romans zu lösen, ehe man ihn vollkommen verschlungen hat. Wer sich am Abend von "Syrenka" verlocken lässt, kann sich einer schlaflosen Nacht sicher sein, in der man den Sand unter seinen Füßen spürt, die salzige Meeresluft auf deinen Lippen schmeckt und das entspannende Rauschen des Wasser hört.

*Cover:*
Mit einem Wort: zauberhaft. Die Meerjungfrau darauf hat mich sofort gefesselt und schien mir mit ihren betörenden Stimme ununterbrochen "Lies mich!" ins Ohr zu flüstern. Wie hätte ich da Nein sagen können? Übrigens: Der gesamte Schutzumschlag schimmert im Licht wie eine glitzernde Meeresoberfläche. Einfach toll!

*Fazit:*
"Syrenka - Fluch der Tiefe" ist ein unglaubliches Buch, das mich restlos begeistern konnte. Noch immer halten mich die Sirenen in den Tiefen des Meeres gefangen, noch immer kann ich die Meeresluft auf meiner Haut spüren. Jeder Faser der Geschichte hat mich fasziniert und in ihren Bann gezogen. Vom mir gibt es daher eine klare Leseempfehlung und 5 Sterne!