Rezension

Gegen das Vergessen

Underground Railroad - Colson Whitehead

Underground Railroad
von Colson Whitehead

~~Die Aufzählung der Ehrungen, die der amerikanische Autor und Harvard-Absolvent Colson Whitehead für seinen 2016 im Original erschienenen Roman „Underground Railroad“ erhalten hat, würde hier den Rahmen sprengen, wobei die beiden wichtigsten Auszeichnungen, der „Pulitzer Prize for Fiction“ sowie der „National Book Award“, nicht unerwähnt bleiben sollen. Für den Hanser Verlag hat Nikolaus Stingl nun den Roman ins Deutsche übersetzt.

Nach den jüngsten Ereignissen in Charlottesville und dem Erstarken der Ultrarechten, über die der amtierende US-Präsident schützend seine Hand hält, muss man sich keinen Illusionen hingeben. In den Vereinigten Staaten ist Rassismus an der Tagesordnung und die Prosperität dieser Nation gründet sich auf Sklaverei, auf Diskriminierung und Ausbeutung. Für Filmemacher und Autoren schon immer ein Thema, in unterschiedlichster Qualität realisiert.

Nun also von Colson Whitehead ein Roman über die „Underground Railroad“. Teilweise historisch, dann aber wieder durch mystisch-fantastische Elemente verfremdet. Besagte Underground Railroad existierte seit Beginn des 19. Jahrhunderts und war der Name eines geheimen Netzwerks von Abolitionisten sowie weiteren Unterstützern, mit dessen Hilfe Sklaven aus den Südstaaten die Flucht ermöglicht wurde. Whitehead verwendet diesen Begriff allegorisch und macht in seinem Roman daraus eine reale Eisenbahnverbindung, die auf unterirdische Gleisen Richtung Freiheit bei einer Reise durch Raum und Zeit, auch mit Verweisen auf Ereignisse aus der europäischen Geschichte, verkehrt.

Im Zentrum der Handlung steht Cora, eine junge Frau, die ihr gesamtes Leben in Unfreiheit verbracht hat. Früh von der Mutter verlassen, die sie bei ihrer Flucht zurückgelassen hat, muss sie sich alleine durchschlagen. Für die weißen Plantagenbesitzer auf den Feldern arbeitet sie wie ein Tier, lebt unter menschenunwürdigen Bedingungen, wird beim geringsten Anlass bis auf die Knochen blutig gepeitscht. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich eines Tages zur Flucht entschließt, auch wenn sie nicht weiß, was sie am Ende ihres Weges erwarten wird. An Bord der Underground Railroad von Süd nach Nord, diverse Staaten durchquerend, guten und bösen Menschen begegnend, die ihre Wege kreuzen.

Eine zutiefst bewegende Lektüre. Wegen den schonungslos beschriebenen Misshandlungen stellenweise kaum auszuhalten, ich musste das Buch immer wieder weglegen. Aber das Thema ist hochaktuell. Gerade auch deshalb ist „Underground Railroad“ ein bedeutender und gerade für das heutige Amerika immens wichtiger Roman, denn dieses zutiefst schmutzige Kapitel der amerikanischen Historie darf nicht vergessen werden. Vor allem, weil unter dem neuen Präsidenten sowohl Alt-Right als auch Ku Klux Klan in der Öffentlichkeit ihre abstrusen Vorstellungen von der Überlegenheit der Weißen zelebrieren können, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Beschämend!