Rezension

Gelungenes Jugendbuch!

Nicu & Jess - Sarah Crossan, Brian Conaghan

Nicu & Jess
von Sarah Crossan Brian Conaghan

Sehr simples, aber hübsch anzusehendes Cover; herausstechender, dezenter orangefarbener Buchschnitt und eine Aufmachung in Gedichtform – das war mein erster Eindruck, als ich das Buch „Nicu & Jess“ von Sarah Crossan und Brian Conaghan in Händen hielt. Ob das Innere mit den Besonderheiten der Aufmachung mithalten kann, erfahrt ihr in der folgenden Rezension.

 

 

 

 

Worum geht’s?

Jess und Nicu lernen sich beim Müllaufsammeln im Park kennen. Auf den ersten Blick ein ungleiches Paar, entwickelt sich ihre Freundschaft bald zu einer zarten Liebe. Als die Situation bei Jess zu Hause immer schlimmer wird und auch Nicus Zukunft in England bedroht ist, laufen sie davon. Doch dann trifft Nicu eine folgenschwere Entscheidung …

Sarah Crossan und Brian Conaghan erzählen eine herzzerreißende Geschichte aus zwei Perspektiven – über eine verbotene Liebe und davon, sich in Menschen hineinzuversetzen, die anders sind als man selbst.

 

 

Was lässt sich darüber sagen?

Positiv hervorzuheben ist, dass man als Leser recht schnell in das Geschehen hineinkommt und sich gut in dem Umfeld zurechtfindet. Man gewöhnt sich an die ungewöhnliche Erzählweise, auf welche ich später noch näher eingehen möchte, und freundet sich mit den Protagonisten an. Diese werden dem Leser durch zahlreiche Hintergrundinformationen näher gebracht, sodass mich gut in ihre Lage hineinversetzen konnte. Alle auftauchenden Charaktere verhalten sich nachvollziehbar, wenn aber teilweise etwas zu einfach gestrickt. Die Hauptfiguren glänzen durch ihren vielschichtigen Charakter, alle anderen Figuren werden jedoch auf ihr stärkstes Charaktermerkmal reduziert und ihre Beweggründe bleiben teilweise im Dunkeln.

 

Einen komplexen, ausgetüftelten Handlungsstrang gibt es in vorliegender Lektüre nicht. Die Besonderheit ist hier, dass zwei unterschiedliche Personen, die aus zwei unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen stammen – und deshalb auch über unterschiedliche Wertevorstellungen verfügen – aufeinander treffen. Dies ist interessant anzusehen. Außerdem ist die Geschichte trotz ihrer Richtung, die sie einschlägt, und welche sie dem Leser auch jederzeit offensichtlich aufzeigt, nie langweilig, sondern gar gepaart mit einzelnen unvorhergesehenen Wendungen, die mir gut gefallen haben.

 

„Noch bevor wir geliefert haben, weiß ich, dass wir geliefert sind.“ (S.7, „Nicu & Jess“)

 

Kommen wir zurück zu einem Aspekt, den ich zu Beginn kurz angeschnitten habe. Der Schreibstil ist etwas, was „Nicu & Jess“ von anderen Jugendbüchern auf dem Markt unterscheidet. Die einzelnen Kapitel sind notiert wie ein Gedicht. Dabei haben mir die Formulierungen, die die beiden Autoren benutzt haben, gut gefallen, da sie einen Handlungsverlauf, der sich nicht stark von anderen Genrevertretern unterscheidet, auf neue Art und Weise erzählen. Dabei wechseln sich die beiden, schon im Buchtitel genannten Protagonisten Nicu und Jess bei der Erzählperspektive ab.

 

Dieser Fakt führt uns zu einem großen Kritikpunkt, der mich teilweise stark im Buch gestört hat. Die Autoren stützen sich nämlich auf das Vorurteil, Flüchtlinge würden allesamt nur in stark gebrochenem Deutsch reden. In eben dieser Sprache ist dann auch jedes Kapitel geschrieben, wenn es aus Nicus Sicht erzählt wird. Das fand ich jedes Mal ziemlich störend, da man geistig wieder umschalten musste, sich mental vorbereiten auf diesen grammatikalisch inkorrekten Schreibstil. Innerhalb eines Kapitels gewöhnt man sich schnell an diesen „Akzent“, so möchte ich es jetzt einmal nennen, aber über dem ein oder anderen Ausdruck musste man als Leser tatsächlich grübeln, was genau uns die Autoren damit sagen wollten.

 

Man merkt v.a. im letzten Drittel einen gelungenen und packenden Spannungsbogen, der konstant auf einen überraschenden und das Buch passend zu Ende bringenden Höhepunkt zusteuert.

 

Da sich auf einer kompletten Seite etwa ein Drittel der Menge an Wörtern, die man sonst auf einer gewöhnlichen Buchseite auffinden würde,  befindet, ist man schnell mit dem 300-Seiten-starken Buch durch. Hierbei muss jeder Interessent selbst entscheiden, ob sich die knapp siebzehn Euro für ihn lohnen. Die Geschichte an sich ist allenfalls lesenswert.

 

 

Wie gut ist es?

„Nicu & Jess“ ist ein lohnenswertes Jugendbuch, das durch ein aktuelles Thema und seine liebenswürdigen Protagonisten punkten kann.