Rezension

Gelungenes Portrait

Das Seelenhaus - Hannah Kent

Das Seelenhaus
von Hannah Kent

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Familie des Kornsáhofs ist entsetzt: Die verurteilte Mörderin Agnes Magnusdottir soll bis zu ihrer Hinrichtung bei ihnen in Verwahrung bleiben. Sich der Entscheidung zu widersetzen ist nicht möglich. Gefängnisse gibt es auf Island nicht und eine helfende Hand kann die Familie mehr als gut gebrauchen. Also fügt sie sich zwangsläufig der unangenehmen Aufgabe.

Doch schon bei Agnes Ankunft fällt es Hausherrin Margrét schwer, der Verurteilten die gebührende Abneigung entgegenzubringen. Verdreckt, halb verdurstet, geschlagen, gefesselt und abgemagert steht Agnes vor ihr. Also kümmert sich Margrét auf ihre pragmatische Art erst einmal um sie. Ihr Fleiß und ihr Wissen sind der Familie im harten isländischen Winter eine große Hilfe und als sie beginnt nach und nach die Ereignisse zu schildern, die zum Mord geführt haben, wendet sich die Stimmung ihr gegenüber.

Stimmungsvoll und düster mit authentischen Einblicken ins Island des frühen 19. Jahrhunderts schildert Hannah Kent die letzten Woche in Agnes Leben. Mystischer Volksglaube gemischt mit originalen Dokumenten zum Mordfall sorgen für einen interessanten Mix, der den Roman sehr real wirken lässt. Und tatsächlich hat Kent sehr viel recherchiert über diesen Mord, der mit den letzten Hinrichtungen auf Island endet.

„[...] aber mich werden sie nicht freisprechen, denn ich bin Agnes, die wissende Agnes, die Blut an ihren Händen hat. Und ich habe so furchtbare Angst. Ich dachte, es würde gehen, ich dachte, ich könnte so tun als ob, aber jetzt sehe ich, dass es nicht gehen wird, dass ich niemals entkommen werde, dass es für mich kein Entkommen gibt.“

Besonders gefallen haben mir tatsächlich die Einblicke ins Leben der isländischen Bauern. Auf Island zu leben war unglaublich hart. Die Winter sind eiskalt und tödlich, Nahrung oft knapp, Armut allgegenwärtig. Wie Heu oder Butter gemacht werden, wie Fleisch gepökelt wird oder Blutwurst eingekocht, die Torfhäuser mit ihren Badstofas in denen die Bauersfamilie zusammen mit den Knechten schläft, die Fenster aus Schafsdarm – all das fand ich fast faszinierender, als den etwas in die Länge gezogenen Mord.

Insgesamt ist Hannah Kent ein lesenswertes Portrait einer vielschichtigen Frau gelungen. Ich konnte hier viel über Island lernen und die düstere, raue Stimmung des Romans genießen. Allerdings blieb es mir ein wenig zu distanziert.