Rezension

Geniestreich eines Künstlers, der mit Worten Bilder, Szenarien und Emotionen malt!

KALYPTO 02 - Die Magierin der Tausend Inseln - Tom Jacuba

KALYPTO 02 - Die Magierin der Tausend Inseln
von Tom Jacuba

Bewertet mit 5 Sternen

Ein wahrer Geniestreich eines Künstlers, der es vermag mit seinen Worten Bilder, Szenarien und unglaublich tiefe Gefühle zu malen. Eine Spannung auf hohem Niviea, die eine Sogwirkung entfaltet. Ein absoluter Lesegenuss.

„Ich stelle mir vor, jede Dichtung ist nichts anderes, als eine enthusiastische Freundschaft oder platonische Liebe, zu einem Geschöpf unseres Kopfes“ (Friedrich Schiller)

 

Dies ist das erste Zitat, das mir zu Tom Jacubas Werk eingefallen ist. Ein Buch, dem man beim Lesen anmerkt, mit welcher Freude und Leidenschaft es geschrieben wurde. Das zweite Zitat, das mir in den Sinn kommt, wenn ich an Kalypto – Die Magierin der Tausend Inseln denke, spricht für sich:

 

„ Ein Genie ist unter den andern Köpfen, was unter den Edelsteinen der Karfunkel: Er strahlt eigenes Licht aus, während die andern nur das empfangene reflektieren.“ (Arthur Schopenhauer)

 

Nachdem Kalypto – Die Magier der Wälder im letzten Jahr meine absolute Entdeckung war, habe ich gespannt dem Folgeband entgegen gefiebert und gehofft, Kalypto - Die Magierin der Tausend Inseln würde mich genau dort abholen, wo mich der erste Band zurückließ; begeistert, emotional berührt, überwältigt. Den Geniestreich, den Tom Jacuba letztendlich aus dem Hut gezaubert hat, habe ich allerdings nie erwartet.

 

Inhalt:

 

Die Magierin Catolis hat es geschafft! Zufrieden überblickt sie, die Großmeisterin der Zeit, das Reich Garona, das sie nahezu komplett erobert hat. Wieder ist sie ihrem Ziel etwas näher gekommen: das stärkste Volk unter allen Völkern zu finden, damit es für sie das untergegangene Reich von Kalypto neu errichtet. Ein großes Reich allein unter der Herrschaft der Magier. Doch Catolis ahnt nicht, dass Ayrin, einst Königin von Garona, fliehen konnte und mithilfe des Waldmanns Lasnic die Rückeroberung ihres Throns plant ... Und auch Lauka, die Ayrin vom Thron stürzte hat ihre ganz eigenen Pläne, in das Geschehen einzugreifen.

 

Meinung:

 

„Hoffnung ist ein Wort, dass häufig am Morgen bei uns ist, im Laufe des Tages verletzt wird und am Abend stirbt, jedoch mit der Morgenröte wieder aufersteht.“ ( Paulo Coelho)

 

Was könnte die Stimmung besser beschreiben, die der Handlung des Romans zugrunde liegt?

Tom Jacuba knüpft mit dem zweiten Band unmittelbar an das Geschehen aus dem Ersten an. Hatte ich anfangs meine Zweifel, ob mir die Vielzahl an Charakteren und Entwicklungen aus dem ersten Teil noch in Erinnerung waren, so wurden diese schon nach den ersten Zeilen sofort zerstreut. Es war, als ob ich das Buch erst am Vortag zur Seite gelegt und alte Bekannte wiedergetroffen hätte.

 

Mit Kalypto – Die Magierin der Tausend Inseln hat der Autor, entgegen der typischen Tendenz, der Mittelband einer Trilogie neige dazu eher ein schwächeres Buch zu sein, ein Werk geschaffen, dass sich an Spannung, Dramatik und Emotionen weiterentwickelt hat.

 

Betrachten wir die vielen Charaktere, so bleiben sie nicht stehen. Jeder für sich, bis in die Nebenfiguren macht eine ganz eigene Entwicklung durch, ob zum Positiven oder Negativen. Oft ist dem Leser nicht direkt klar, auf welcher Seite sie stehen. Der Autor schafft es immer wieder ihre Geheimnisse zu verbergen, uns mit Andeutungen und Spuren auf falsche und manchmal auch richtige Fährten zu locken und aktiv ins Geschehen einzubinden. Selten habe ich mir beim Lesen so viele Notizen gemacht und mit meinen Gedanken zu den einzelnen Rollen und Bestimmungen gespielt. Plötzlich ist, was anfangs klar war, gar nicht mehr so sicher..oder doch? Manchmal befinden wir uns auf einmal in der Situation unsere Einstellung über den Charakter zu ändern. Aus Abneigung entsteht Mitgefühl, aus Mitleid und Bedauern entwickeln wir Abscheu und Hass. Das alleine bannt den Leser, macht schon unglaublichen Spaß, steigert die Spannung und zeigt das Genie des Autors, sich immer neue Facetten seiner Figuren einfallen zu lassen.

 

Nehmen wir den Waldmann Lasnic heraus, der schon allein durch seine rohen Flüche und seine Fähigkeit Emotionen offen und ehrlich zu zeigen im ersten Band mein absoluter Liebling war. Ist er vor vielen Monden noch vor der Verantwortung als Großer Waldfürst davongelaufen, so entwickelt er sich langsam aber sicher zu einem Mann, der Verantwortung übernimmt, Führungsqualitäten zeigt und zielgerichtet Handeln kann. Obwohl er teilweise über sich selbst hinauswächst, so bleibt er sich selber doch treu. Er kann sich Ängste eingestehen, verabscheut die Anwendung von Gewalt und Magie ( „verfluchter Schartansring“ ) und ist in der Lage Verluste zu beweinen. Aber ist er wirklich nur der einfache Waldmann, der zufällig zwischen die Fronten eines gewaltigen Krieges geriet?

„Die schönsten Waffen sind Werkzeuge des Unglücks. Wer im Kampfe gesiegt hat, der stehe da wie bei einer Leichenfeier“ ( Laotse )

 

Die Magierin Catolis, die vormals noch konsequent und kaltblütig ihrer Aufgabe, den Weg für das Zweite Kalyptische Reich zu ebnen folgte, muss sich plötzlich mit menschlichen Gefühlen auseinandersetzen, die ihr die Aufgabe erschweren...

„Schicksalsschläge lassen sich ertragen - sie kommen von außen, sind zufällig. Aber durch eigene Schuld leiden – das ist der Stachel des Lebens“ ( Oscar Wilde )

 

Die Charaktere des Romans zeichnet aus, dass sie bis in die Nebencharaktere ohne Ausnahme detailliert und liebevoll gestaltet sind. Sie haben einen enormen Wiedererkennungswert trotz der Vielzahl an Namen und Personen, die uns im Verlauf der Handlung begegnen. Das Besondere an Tom Jacubas Charakteren aber ist, dass wir beim Lesen das Gefühl haben sie unmittelbar vor uns stehen zu sehen, so ausführlich sind sie beschrieben. Es ist, als ob wir an Gesprächen beteiligt sind, Schrecken und schöne Momente mit ihnen erleben und vor allem, wir erfahren ihre Emotionen so ungefiltert, dass wir ihnen schonungslos in die Seele blicken. Einzigartige Figuren, die beim Lesen lebendig werden, die sich nie ganz in ein Schema gut, böse zwingen lassen und durch ihre ganz eigenen Ecken und Kanten, teils auch Macken sehr authentisch auf den Leser wirken. Das Klischee des überragenden Helden suchen wir vergeblich. Sie alle haben gerade dadurch, dass ich ihr Leid, ihre Freude und auch die Abgründe ihrer Seele mitverfolgen durfte, eine wahre Flut an Emotionen von Wut, Angst, tiefer Trauer, hemmungslosen Tränen, Mitleid, aber auch Hoffnung und Freude in mir ausgelöst.

 

Neben den Figuren entwickelt der Autor auch die von ihm geschaffene Welt weiter. Wir begegnen weiteren Völkern, erstaunlichen Kreaturen wie den riesigen Sumpfechsen, Waldelefanten, Wakudos und Elchen, die als Reittiere genutzt werden, faszinierenden Absurditäten und neuen Geheimnissen außerhalb der Welt unserer Protagonisten. Tom Jacubas Kreativität, mit der er seine Geschichte bereichert raubt mir immer wieder den Atem. Es erfreut mich Seite für Seite neu auf Entdeckungsreise zu gehen.

 

Die Handlung, die diesem zweiten Band zugrunde liegt, weist im Gegensatz zu dem vorangegangenen Band einen durchgehenden weitaus höheren Spannungsbogen auf. Den Leser erwarten fulminante, schonungslose Schlachten, blutige Angriffe und grausame Kämpfe, Flucht und Verfolgungsjagden die uns kaum die Zeit zum entspannten Zurücklehnen lassen. Es fließt viel Blut und als Leser müssen wir leider einige Verluste hinnehmen, aber Tom Jacuba unterstreicht damit meisterhaft die Schrecken und Leiden des von den Kalyptikern angezettelten Krieges und den menschlichen Abgründen, die daraus folgen. Nicht selten stürzt uns der Verlauf des Geschehens in Leid und tiefe Trauer um liebgewonnene Figuren, um dann wieder überraschend schöne Momente zu schaffen, in Situationen wo wenig Hoffnung herrscht, oder uns mit humorvollen Szenen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Die Handlung lebt von unerwarteten Wendungen, die mich teils geschockt, teils fluchend oder auch befriedigt zurückließen. Nie kann sich der Leser sicher sein. Gleichfalls wird die Handlung von permanenten Perspektivenwechseln getragen, die uns nicht nur einen tiefen Einblick in Gefühlswelt und Handeln der Charaktere gibt, sondern uns zudem mit fiesen kleinen Cliffhangern am Ende der jeweiligen Kapiteln zurücklassen, um im nächsten Kapitel sich anderen Handlungsfäden zu widmen. Das bannt den Leser an die Buchseiten. Für mich war es schwer den Roman überhaupt zur Seite zu legen. Ich habe manche Nacht für mich entschieden, dass Schlaf überbewertet wird. Die bis in kleinste Detail geschickt konstruierte Handlung nimmt zunächst die Fäden an verschiedenen Stellen auf, schafft Stück für Stück Berührungspunkte, um dann absolut stimmig die einzelnen Enden in einem fulminanten Aufeinandertreffen zusammenzuführen. Tom Jacuba gelingt es eine fesselnde Atmosphere zu schaffen, die uns immer wieder Raum für Spekulationen gibt, sei es um die Auflösung der einzelnen Cliffhanger, oder um die vielen Geheimnisse und Zusammenhänge, die es zu lüften gilt. Der Leser sieht sich immer wieder mit den Fragen konfrontiert, wie er in der Situation handeln würde und welche Folgen sein Handeln hätte. Beim Lesen habe ich die Geschichte regelrecht gelebt.

„Es gibt nichts, was schlimmer ist als eine Niederlage – mit Ausnahme eines Sieges“ (Arthur Wellesley Herzog von Wellington)

 

Herausragend aus der fesselnden Handlung fällt uns immer wieder der überragende Schreibstil des Autors ins Auge. Egal wie blutig und hart die Geschehen sind, die Bilder und Beschreibungen die Tom Jacuba zaubert sind wunderschön und detailverliebt. Manchmal stehen sie im krassen Gegensatz zu den Emotionen und Schrecken und betonen dadurch fast überdeutlich die Zerstörung und manchmal unterstreichen sie die Hoffnungslosigkeit und Gefühle der Protagonisten auf eingängige Weise. „ Ein verlassener Burgsaal hätte nicht stiller sein können als der Wald an diesem Vormittag. Es schneite aus einem schlammgrauen Himmel. Das herbstbraune Farnkraut sah aus wie Hirschklalbfell, das Unterholz wie mit Hirschmilch bespritzt....Kam selten vor, dass der Schnee liegen blieb hier in den Wäldern....Doch niemand wunderte sich darüber; es passte zu diesem verdammten Tag. Sonnenstrahlen in Baumkronen? Sonnenlicht auf dem Unterholz? Heute? Es wäre Lasnic absurd vorgekommen.“ S.550

Ab und an vermögen die Bilder auch Lichtblicke und einen Funken Hoffnung schaffen.

 

Der absolute Höhepunkt allerdings liegt für mich im Sprachstil. Tom Jacuba ist der König der Sprache, ein Künstler der geschriebenen Worte und ich wundere mich immer wieder aus welchen Zauberhüten er seine Worte hervorholt. Er verleiht jedem Volk, teils einzelnen Figuren eine ganz eigene Ausdrucksweise. Ob es Lasnics rohe Flüche und plumpe Ausdrücke sind..“Habe ich Recht, oder rede ich Bärenmist?“, Lord Frix wunderbarer Räuberdialekt „Schwer zu sage uff die Endfennung.“, Laukas beginnender Wahnsinn / Größenwahn „Ich bin eine Siegerin. Ich bin eine Riesin.“ alles verleiht nicht nur den Figuren, sondern dem gesamten Werk einen hohen Wiedererkennungswert und macht es unvergleichbar. Ich hätte die Perspektiven ohne Namensangaben lesen können und würde wissen von welchem Charakter es handelt. Zitate zu notieren lohnt sich. Es kommt ein großartiges Repertoire zusammen. Und bitte: Im Finalband nicht Lasnics Flüche reduzieren. Ich liebe sie! Über den absolut göttlichen Humor, trotz der mehr als erschreckenden Szenarien, habe ich mich schon in meiner Rezension zum ersten Band ausgiebig geäußert. Ich habe auch hier wieder schallend lachen dürfen.

 

Was bleibt noch zu erwähnen. Kalypto – Die Magierin der Tausend Inseln überzeugt, indem es nicht nur rasanter, spannender und überraschender ist als sein Vorgänger, sondern auch Themen aufgreift, die emotional noch tiefer gehen. Größenwahn, Gier, Selbstachtung, Schuld und Reue, Verzweiflung und Angst, Verlust und Trauer, Verrat sind nur einige nennenswerte Themen. Den Schwerpunkt für die Bestimmung des Handlungsverlauf setzt der Autor hier eindeutig in der Charakterentwicklung.

 

Am Ende gewinnt der Leser neue Erkenntnisse und wird mit neuen Geheimnissen konfrontiert, die uns hohe Erwartungen in den finalen Band setzen lassen.

 

Fazit:

 

Kalypto – Die Herren der Wälder war großartig. Kalypto – Die Magierin der Tausend Inseln ist ein Geniestreich des wortgewandten Künstlers Tom Jacuba. Es legt damit die Messlatte für den finalen Band enorm hoch. Sollte der dritte Teil um das Zweite Reich von Kalypto dieses Niveau auch nur halten ( oder gar toppen), wage ich zu prophezeien, das das Gesamtwerk sich mühelos in die Reihe unvergesslicher, großer Werke einfügen wird. Und dafür braucht es nicht einmal ein mehr als zehn Bände – endlos Epos zu werden.

Für mich ist Tom Jacuba ein Meister der Fährten und ein Künstler, der es versteht Bilder, Szenerien und Gefühle seiner großartigen Welt mit wundervollen Worten zu malen.

 

„Das Genie, jene einzige rein menschliche Macht, vor welcher man ohne Beschämung sein Haupt beugen darf“ ( Cesare Lombroso)

 

Und wer sich jetzt beim Lesen meiner Rezension fragt: „Wer hat denn der ins Hirn geschissen?“, dem kann ich nur erwidern: „Verfluchte Eulenscheiße, das sind meine subjektiven Empfindungen!“