Rezension

Geplatzte Buchträume

Die Bibliothek der ungeschriebenen Bücher - Annette Pehnt

Die Bibliothek der ungeschriebenen Bücher
von

Bewertet mit 4 Sternen

Was, wenn die wirklich guten Bücher noch gar nicht geschrieben sind? Wenn die abgründigsten Geschichten zu den innovativsten Titeln in letzter Sekunde vom Schicksal oder einem missgestimmten Verleger verhindert wurden?
Wer weiß, vielleicht wäre der Roman „Erneuerung der Fransen“ das bedeutendste Buch unserer Zeit geworden. Leider ist er nie geschrieben worden. Vielleicht vergilben ja die besten Geschichten in den Schubladen der Schriftsteller. Keiner kann es sagen. Sicher ist nur, dass längst nicht alles, was sich ein Dichter ausdenkt, auch das Licht der Welt erblickt, und dass nicht jeder einfallsreiche Titel beim Verlag auf Gegenliebe stößt. In pointierten, knappen Beiträgen lesen wir von der rätselhaften Magie ungenutzter Titelformulierungen sowie der schamlosen Wiederverwertung verworfener Romanstoffe und müssen feststellen, dass selbst der namhafteste Autor nicht von Titelver(w)irrungen verschont bleibt.
Illustriert werden die einzelnen Texte mit Umschlägen, die diese nie realisierten Bücher hätten tragen können - entworfen von den Studenten der Karlsruher Hochschule für Gestaltung. (aus Klappentext und Info von der Verlagsseite) 

Für die „Bibliothek der ungeschriebenen Bücher“ baten die Autorin Annette Pehnt, sowie die Literaturwissenschaftler Friedemann Holder und Michael Staiger über 200 Autoren der Gegenwart nach verworfenen oder abgelehnten Titeln. Die 71, die antworteten, sind im Buch nach dem Alphabet ihrer Nachnamen versammelt.
Der Literaturwissenschaftler Stephan Krass und die Kommunikationsdesigner 2xGoldstein und Urs Lehni haben mit Studenten der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und der Fachhochschule Bielefeld Cover für die ungeschriebenen Bücher entworfen

Inhalt:
Kennen Sie den Roman „Die Paarung der Feuerwanzen“, eine beunruhigende Liebesgeschichte? Oder das Buch „Die Liebe der Frauen zu Wasserfällen“, das eloquent vom unterdrückten Sexualleben der Österreicherinnen erzählt?
Sicherlich nicht, denn diese Titel haben das Licht der Öffentlichkeit nie erblickt. In der „Bibliothek der ungeschriebenen Bücher“ finden sie ihren Platz: Bekannte Autorinnen und Autoren der Gegenwart erzählen von verworfenen Titeln, gescheiterten Ideen und nie genutzten Stoffen – ein faszinierender Blick in die Werkstätten der Schriftstellerei. (vom Rücken kopiert) 

Die Höchstpunktzahl für die grandiose Idee und die Umsetzung, die garantiert mit viel organisatorischer und literarischer Arbeit verbunden war.
Die Auswahl der Autoren sieht nach Feuilleton-Aspekten aus; nicht alle sind der breiten Leserschaft bekannt. 

Die Mehrzahl der Autoren betrachtet das Projekt und den persönlichen Beitrag mit ironischem Blick. Einige nehmen das Thema todernst, bei anderen fällt die flapsige Sprache auf; einige erzählen von Konflikten mit dem Verlag, andere berichten, was sie geschrieben hätten, wäre der Titel zum Leben erweckt worden; einige steuern Hintergrundberichte bei, andere schildern Begebenheiten. Nicht alle Beiträge sind gleich interessant oder verständlich. Jahre später bereuen die einen, dass sie gegenüber dem Verlag nicht auf ihrem Titel bestanden haben, andere sind dankbar, dass sie vor einem Missgriff bewahrt wurden. 

Als Leserin fällt mir dazu ein: Schade, dass viele Titel ungeschrieben blieben oder als Vorschlag nicht umgesetzt wurde, sie sind ansprechender als der, unter dem das Buch verkauft wird.
Merkwürdig erscheinen manche Begründungen der Verlage. „Hunde“ darf nur in den Titel, wenn es um einen Hund geht, sonst enttäuscht man Leser; „Gehirn“ ist ein absolutes Tabu-Wort, ebenso wie z.B. „Menschenfresserei“.
Gut, dass man endlich erfährt, wie es zu den mitunter verquasten Titeln kommt, für die Verkaufszahlen das einzige Argument scheinen und nicht die Idee des Buches oder die Vorstellung des Autors. 

Eine besondere Erwähnung verdienen die phantasievollen, originellen Covervorschläge. Ein Beweis, wie kreativ Buchdesigner sein können, wenn ihnen keine Fesseln angelegt werden. Es stellt sich lediglich die Frage, warum es so viel geschmacklose, unpassende oder stereotype Cover gibt, wenn Leute mit einer solchen schöpferischen Phantasie an die Gestaltung herangehen könnten. 

Würde man ein ähnliches Buchprojekt mit populären Autoren der Unterhaltungsliteratur (Sebastian Fitzek, Ursula Poznanski, Rafik Shami, Klüpfel & Kobr, Ferdinand von Schirach, u.a.) initiieren, wäre der Absatz des Buches m.E. von Vorneherein gesichert.