Rezension

Geschichte hautnah – ein sehr lesenswerter historischer Roman

Berlin Friedrichstraße: Tränenpalast -

Berlin Friedrichstraße: Tränenpalast
von Ulrike Schweikert

Bewertet mit 5 Sternen

"Tränenpalast" ist die Fortsetzung der Familiensaga "Berlin Friedrichstraße".
Die Klappbroschur zeigt innen das Berlin 1962 rund um den Bahnhof Friedrichstraße u.a. sowie einer kleinen detaillierten Karte des Inneren mit dem vorgebauten Tränenpalast. Auch der Platz von Johannes Kiosk ist markiert.
Es beginnt mit einem Rückblick zu der Zeit als die Braunen an der Macht sind. Johannes entschließt sich, nach Frankreich zurück zu gehen. Dass seine Befürchtungen es würde noch schlimmer als jetzt werden, sollten sich bewahrheiten. Die Hetze und die vermehrten Anschläge auf seinen Kiosk bestärken ihn. Zu dem Zeitpunkt war Lilli, die Tochter seiner Liebe Luise, gerade zwölf Jahre. Doch Luise hatte damals Robert geheiratet. Robert, Lillis "Vater" litt sehr unter dem Verlust seiner Frau. Was sollte mit dem Kiosk werden? Denn er gehörte Lilli und trug ihren Namen "Lilli Wagenbach".
Am 10. November 1938 verläßt Johannes Berlin und kommt erst nach Kriegsende zurück.
Die Handlung fährt fort im Februar 1945. Fliegeralarm und für Lilli hieß es mit ihren beiden Mädchen, den Zwillingen Cornelia und Anne so schnell wie möglich in den Luftschutzkeller. So jung und schon Mutter und dann dazu der Krieg. Diese Nacht war der schlimmste Bombenangriff bislang und hatte verheerende Auswirkungen. Lilli vermisste ihren Vater, der irgendwo im Einsatz war. Dann trifft Lilli auf Ella und so kommt es, dass diese bei der Familie mit unterkommt. Was und wo Ellas Sohn Michael war, wurde verschwiegen. Die Schilderungen nach Ende des Kriegs, der Einmarsch der Russen, erspart mir Einzelheiten. Die Autorin beschreibt die damalige Zeit bildlich und bringt den Leser nahe in die Geschichte. Hier bekommt man den Eindruck wie grausam der Krieg war und nach Ende ums Überleben gekämpft werden mußte.
Die Aufteilung von Berlin ergab, dass die Familie im künftigen DDR-Staat bzw. Ost-Berlin wohnte. Die Zwillinge wuchsen so heran und lernen den Überwachungsstaat.
"Tränenpalast" zu lesen hat mich sehr berührt, zumal ich Friedrichstraße zigfach passiert bin. Familie meiner Mutter lebte in Ost-Berlin. Mauerbau und alles andere danach, das alles war für mich noch einmal eine Reise in die Vergangenheit.
Hier wird Zeitgeschichte spannend geschildert. Die Einzelschicksale detailliert. Sehr aufschlussreich, als es darum ging, die Bürgerflucht von Ost nach West zu verhindern. Während hier das fiktive Leben der Familie und Freunde von 1945 bis zum Mauerfall 1989 geschildert wird, kann man nur erahnen, dass es sich real in einer solchen Art und Weise abgespielt hat.
Zum Ende gibt die Autorin Einblick in "Dichtung und Wahrheit" zum Roman. Das sollte man unbedingt lesen. Erschütternd und auf Tagebuchaufzeichnungen zurückgreifend geschildert der Einmarsch der Russen. Was mussten die Menschen, vor allem die Frauen aushalten.