Rezension

Gibt namenlosen Toten eine Geschichte

Das Büro der einsamen Toten
von Britta Bolt

Bewertet mit 4 Sternen

In Amsterdam kümmert sich Pieter Posthumus um unbekannte Tote, damit sie ein würdiges Begräbnis erhalten. Anders als seinen Kollegen, liegt ihm aber die Persönlichkeit der Menschen am Herzen. Ein toter marokkanischer Emigrant, der in der Prinsengracht gefunden wurde, gibt Posthumus Rätsel auf. Durch seine Ermittlungen lernt er düstere, verwirrendere Seiten Amsterdams kennen und gerät selbst in Gefahr.  

Das Autorenduo Britta Bolt (Britta Böhler und Rodney Bolt) hat mit "Das Büro der einsamen Toten" den Auftakt zu einer neuen ungewöhnlichen Krimireihe geschaffen. In der stimmig beschriebenen Metrole Amsterdam fühlt man sich sofort wohl. Durch die vielen kleinen Details kann man sich die Menschen und das quirlige Stadtleben gut vorstellen. Hier ermittelt kein taffer Kommissar, sondern ein einfacher Stadtangestellter aus dem "Büro der einsamen Toten". Obwohl Pieter Posthumus sich den Job nicht selbst ausgesucht hat, versucht er namenlosen Toten ein würdevolles Begräbnis zu geben. Mit viel Einfühlungsvermögen, Toleranz und Feingefühl widmet er sich den Hinterlassenschaften der Toten:

"Der Teil von ihm, der die Lücken füllte und die Geschichten erzählte; der Bücherregale und Musiksammlungen begutachtete, sich Bilder an der Wand ansah und Kleiderschränke durchsuchte, der ein Leben, eine Persönlichkeit konstruierte, um einer fünfminütigen Zeremonie einen individuellen Anstrich zu geben, der tastete jetzt behutsam umher, erfühlte sich blind seinen Weg und sah noch nicht ganz, was es zu sehen gab."

Hier steht nicht der Fall an erster Stelle, sondern die Charaktere. Gekonnt werden Haupt- und Nebendarsteller skizziert und mit all ihren Facetten dargestellt. Man bekommt einen Einblick in kulturelle Lebensweisen der muslimischen Bevölkerung und ist fassungslos über politische Machtspiele.

Posthumus hat einen passenden Satz dazu:

"Zumindest eine Sache ist mir bei dieser ganzen Geschichte klar geworden: dass wir alle in dieser Stadt in unseren kleinen Welten feststecken, und dass es viel Energie kostet, die Grenzen zu überwinden."

Anfänglich waren die Sprünge zwischen Posthumus Ermittlungen und dem Geschehen rund um die Amsterdamer Zelle durch die vielen Namen und den fehlenden Zusammenhang schwer nachvollziehbar. Im Laufe der Handlung werden aber immer mehr Fäden verknüpft, sodass sich ein langsam aufbauender schlüssiger Fall ergibt.

Mir hat dieser leise, eher undramtische Krimi mit seinen vielen Facetten aus politischer Aktualität, Medienmanipulation und divergierenden Interessen sehr gefallen. Auf den nächsten Fall von Pieter Posthumus darf man gespannt sein.