Rezension

Große Charakterentwicklung mit langatmigem Anfang

Sieben. Spiel ohne Regeln -

Sieben. Spiel ohne Regeln
von Bennett

Bewertet mit 4.5 Sternen

In dem Buch "Sieben. Spiel ohne Regeln" geht es um den jungen Nerd Link, der einen Flugzeugabsturz überlebt hat und sich nun auf einer einsamen Insel zurechtfinden muss. Aber auch seine MitschülerInnen, die ebenfalls im Flugzeug saßen, haben überlebt. Diese Erkenntnis ist für Link am schlimmsten, haben sie ihm doch jahrelang das Leben schwer gemacht, indem sie ihn in der Schule gnadenlos mobbten. Link wird bewusst, dass seine Position auf der Insel eine andere ist, da er der einzige zu sein scheint, der genug Wissen angehäuft hat, um die wichtigsten Survival-Herausforderungen zu meistern. Aber sehen das alle seine MitschülerInnen ebenso ... ? Und ist alles auf der Insel so, wie es zu sein scheint ... ?

Bennett erfüllt in ihrer Story die gängigsten Rollenklischees voll und ganz, was ich zunächst seufzend hinnahm, dann aber doch ganz passend fand, da die Figuren diesen Umstand selbst und auch ausführlich thematisieren. So gibt es den Spitzensportler Seb: Anführer, Fiesling und Hohlkopf, der am besten rohe Kräfte walten lassen kann. Natürlich ist er mit Miranda zusammen: Schulschönheit, Social-Media-"Star", eher schweigsam, die ein großes Schwimmtalent besitzt. Ihre beste Freundin ist Jun: Asiatin, Violinenwunder, Tennisspielerin, die einen großen Mutterinstinkt hat. Ralph ist der beste Freund von Seb: rechte Hand, selbsternannter Gangsta, Bro, der ein Talent für Pharmazie hat. Außerdem gibt es Gil: Außenseiter, Handlanger, Nachahmer, der versucht, Seb alles recht zu machen und Flora: selbstbewusste und schlaue Rebellin, die es niemandem recht machen muss. Und natürlich die Hauptfigur Link, ein Nerd, wie er im Buche steht: Brillenträger, Leseratte, Gamer, experimentierfreudig und erfinderisch.
Der Anfang war meiner Meinung nach langatmig, da die ersten 100 Seiten voll von Berichten sind, wie Links Leben an der Schule bis zum Absturz verlaufen war und wie sehr dieses Leben von Mobbing geprägt war. Ich finde, dass diese Einführung kürzer hätte sein können. Andererseits ist es für den Leser auf diese Weise wohlmöglich leichter, die Charakterentwicklung der einzelnen Figuren nachzuvollziehen. Denn nahezu alle Charaktere machen in den Wochen auf der Insel große Veränderungen durch, was mir sehr gefallen hat. Gerade Link, der in der Hierarchie unbedingt von ganz unten nach ganz oben aufsteigen möchte und nun den Schlüssel dafür in Händen hält, muss lernen, sein Survival-Wissen passend einzusetzen, um an die Macht zu gelangen. Gleichzeitig muss er lernen, dass mit Macht auch Verantwortung einhergeht. Rückblickend sind es die Dynamiken zwischen den Figuren, die die Story so spannend gemacht haben und weniger der Survival-Aspekt, der anfänglich mein Interesse geweckt hatte.

[Vorsicht, Spoiler:]
Dadurch, dass Link eines Nachts Besuch bekommt, der sein Zahnproblem löst, ist für mich als Leser schnell klar gewesen, dass der Flugzeugabsturz nur fingiert war und alles zum Programm des Schulausflugs gehört. Allein die Tatsache, dass es im Grunde keine Verletzungen, keine Toten und keine Scherben nach dem Absturz gab, war Hinweis genug, um diesen Gedanken aufkommen zu lassen, die nächtliche Behandlung hat ihn dann nur bestätigt. Das war etwas schade und ich hätte mir mehr Mühe von den Organisatoren gewünscht (mehr leichte Verletzungen, eine falsche Leiche und ähnliches). So wäre es später vermutlich zu einem größeren Überraschungseffekt gekommen.  

Am Ende fand ich es etwas schade, das die Charakterentwicklung zumindest nach außen hin von fast allen Figuren Rückgängig gemacht wurde, sobald sie wieder in der Schule waren. Zum Teil war dieser Schritt nachvollziehbar, aber nicht in Bezug auf alle Figuren.

Mein Fazit ist, dass „Sieben“ definitiv lesenswert, spannend und auch in mancher Hinsicht lehrreich ist. Man muss nur erst einmal den Anfang hinter sich bringen. :)