Rezension

Große Gefühle aber wenig Substanz

Die geheime Liebe der Charlotte Brontë
von Jolien Janzing

Bewertet mit 3 Sternen

Die junge Gouvernante und angehende Schriftstellerin Charlotte Brontë träumt davon, eine Schule zu errichten. Um ihre Französisch-Kenntnisse aufzubessern, begeben sie sich nach Brüssel ins Pensionat Heger. Trotz des großen Kulturschocks bemüht sich Charlotte bemüht, die Stadt zu erkunden und erhält viel Hilfe von ihrem Lehrer Constantin Heger, dem Mann der Leiterin des Pensionats. Je mehr Wochen und Monate vergehen, desto intensiver werden Charlottes Gefühle für „Monsieur“. Hin und her gerissen steht sie zwischen ihren Gefühlen und einer Liebe, die nicht sein darf und die letztendlich unerwidert bleiben wird. Dennoch wird diese Erfahrung ihre größte schriftstellerische Inspiration darstellen.

Zu Beginn war ich sehr überrascht, dass Jolien Janzing ein heutzutage ungewöhnliches stilistisches Mittel verwendet: den Erzähler, der dem Leser Dinge zeigt, bevor die Charaktere dazu kommen. Die Autorin nähert sich damit den Autoren im 19. Jahrhundert an, was mir ausgezeichnet gefiel. Leider verliert sich die Erzählerperspektive mit zunehmender Dauer der Handlung.

Nach diesem ungewöhnlichen Einstieg lernt der Leser nicht nur die Brontë-Schwestern kennen, sondern auch die junge Arcadie Claret, deren Mutter ihre Schönheit ausnutzen möchte, um gesellschaftlich aufzusteigen. Arcadie soll nämlich die Mätresse des belgischen Königs Leopold werden. Diese Nebenhandlung wechselt sich immer wieder mit der Haupthandlung ab, so dass man den Eindruck gewinnt, dass diese Handlungsstränge sich letztlich zu einem einzigen fügen werden. Dies geschieht aber enttäuschenderweise nicht und man fragt sich, ob Janzing nicht nur Seiten füllen wollte.

Die Handlung um Charlotte Brontë wird recht gut aufgebaut, was den Unterschied zwischen dem protestantischen England und dem mondänen Brüssel betrifft. Immer wieder werden Details und kulturelle Unterschiede der damaligen Zeit eingebracht. Dies gefiel mir gut. Dies gefiel mir gut. Überhaupt nicht nachvollziehen konnte ich aber, was Charlotte an Constantin Heger so gefiel, dass sie sich auf das heftigste in ihn verliebte.

Jolien Janzing schreibt sehr poetisch und gefühlvoll. Sie hat den inneren Konflikt von Charlotte vortrefflich dargestellt. Leider fehlt es aber an der zugrundeliegenden Handlung, eines roten Fadens als Substanz. Es gibt plötzliche Zeitsprünge und Reaktionen bzw. Motivationen der Charaktere, die man nicht nachvollziehen kann (s.o.).

Meiner Meinung nach hätte die Autorin ruhig etwas mehr ihre dichterische Freiheit nutzen können, um ihren Roman lebhafter zu gestalten. So blieb ich als Leser sehr distanziert zur Protagonistin. Auch die Handlung um den flämischen Arbeiter Emile, dem man als Leser 3-4mal kurz begegnet, der aber im Klappentext als Heiratsoption für Charlotte Brontë genannt wird, hätte die Autorin ruhig mehr ausschmücken können.

„Die geheime Liebe der Charlotte Brontë“ beginnt äußerst vielversprechend, kann aber letztlich keinen strukturierten Handlungsaufbau aufweisen. Auch die Charaktere bleiben blass und distanziert. Ich nehme als Leser in etwa so viel mit, als wenn ich einen Wikipedia-Artikel über Charlotte Brontë lese. Dank durchaus positiver Aspekte wie der poetischen Wortwahl vergebe ich drei Sterne.