Rezension

Große Themen leicht verpackt

Der Jonas-Komplex
von Thomas Glavinic

Bewertet mit 4 Sternen

Einsamkeit, Angst, Liebe, Tod - das sind die Themen von Thomas Glavinic. Schwere Kost ist das allerdings nie - denn kaum einer schreibt lustiger! Psychologie, Philosophie, Wiener Schmäh und irre Drogentrips - alles drin in diesem Buch!

Einsamkeit, Angst, Liebe – um diese großen Themen geht es im neuen Roman von Thomas Glavinic. Gleichzeitig geht es auch um die berühmte Frage: „Wer bin ich? Und wenn ja – wie viele?“

Es gibt drei verschiedene Ichs in diesem großen Roman. Drei männliche Hauptpersonen mit ähnlichen Problemen: sie haben Angst vor der Nähe zu anderen Menschen, sie können sich nur schwer auf das Leben und die Welt einlassen.

Drei Erzählstränge - drei Varianten der gleichen Angst vor sich selbst

Da ist einmal ein Wiener Schriftsteller, der ständig kokst, sich besäuft, Weiber aufreißt und dem Leser – im Grunde in einer Art Tagebuch – von seinem persönlichen Jahr 2015 berichtet. Kein wirklich sympathischer Zeitgenosse. Aber in seinem turbulente Leben geht es wirklich drunter und drüber, es knallt gewaltig - und diesem Wahnsinn folgt man als Leser doch gerne.

Die zweite Hauptfigur ist ein alter Bekannter für Glavinic-Leser, und zwar Jonas, den man schon in „Das größere Wunder“ kennenlernte.

Jonas ist ein junger Mann, der durch fast märchenhafte Vorgänge zu grenzenlosem Reichtum gekommen ist, aber trotzdem kein Glück findet.

Sein Lebensinhalt ist die ständige Grenzüberschreitung. In „Das größere Wunder“ kam er beinahe bei der Besteigung des Mount Everest ums Leben. Auch in „Der Jonas Komplex“ warten lebensgefährliche Reisen auf ihn. Eine davon führt ihn in Begleitung seiner großen Liebe Marie an den Südpol.

Die dritte Hauptfigur ist ein 13-jähriger Junge in der Steiermark, der bei einer Frau aufwächst, die ihn sexuell bedrängt. Er ist – wie die anderen beiden Hauptfiguren auch – extrem intelligent, kann sich aber nur schwer in die Welt einfügen. Dieser Handlungsstrang hat mich am meisten berührt.

Zwischen Horrortrips ins eigene Ich, Philosophie und Lebenshilfe

Trotz vieler Ortswechsel passiert nicht wirklich viel in diesem Roman. Es geht vor allem um den Alltag seiner Hauptpersonen, um ihre Ängste und Sehnsüchte. Man kommt dabei dem inneren Monster, das laut Glavinic in jedem von uns wohnt, stellenweise sehr nah.

Aber so grüblerisch, wie der Roman jetzt vielleicht klingt, ist er gar nicht!

Klar, es gibt einige alltagsphilosophische Einschübe. An ein paar Stellen klingt Glavinic vielleicht ein wenig zu sehr wie ein Autor von erbaulichen Lebenshilfebüchern.

Aber man muss auch viel lachen bei diesem Buch. Es gibt viele skurile Szenen und teilweise regelrechte Slapstick-Einlagen! Ich musste häufig lachen - und das bei einem doch so schwierigen Thema!

Fazit

Ein komplexes Buch, das sich mit den „großen Fragen“ im Leben beschäftigt, aber dabei auch sehr zu unterhalten weiß.

Mich hat dieser Glavinic wieder sehr beeindruckt!