Rezension

Grusel, Gänsehaut und überraschende Wendungen

Schlaf nicht ein
von Michelle Harrison

Zitat:
„Ich lag da, in meine Decke gehüllt, und verbrachte den Rest der Nacht damit, krampfhaft wach zu bleiben.“
(S.11)

„Ich dachte an all die Dinge, an die Siebzehnjährige eben so denken: die Nächte durchmachen, durch die Gegend fahren, Mädchen, Sex und wie man an Alkohol kommt, ohne den Personalausweis vorzeigen zu müssen.“
(S.30)

„Die Kombination aus der Erfahrung von Hilflosigkeit und dem Gewicht des starren Körpers kann eine Empfindung hervorrufen, die sich anfühlt, als würde man erdrückt. Dann steigt Panik auf.“
(S.59)

Inhalt:
Wie würdest du dich fühlen, wenn Nacht für Nacht der Geist einer Selbstmörderin in deinem Zimmer erscheint? Was kannst du machen, wenn der Schlaf zu deinem größten Feind wird?

Nach einem schweren Autounfall ist Elliott in genau dieser Situation. Minutenlang war er tot, doch er gelangte ins Leben zurück. Diese Nahtoderfahrung hat dazu geführt, dass er beim Schlafen seinen Körper verlässt. Und immer dann ist SIE da! Es gibt kein Entrinnen. Elliott versucht verzweifelt, dem Schlaf auszuweichen. Doch irgendwann muss sein Körper den durchwachten Nächten Tribut zollen. Und in diesen Augenblicken fühlt er sich hilflos, ausgeliefert, starr…

Elliott will sich seinen Ängsten stellen. Er nimmt einen Job bei Past Lives an, einem Museumsdorf, über das immer wieder Gerüchte über Spukerscheinungen von Geistern kursieren. Hier trifft er auf Hodge und dessen interessante Nichte Ophelia, der er bald näher kommt. Doch ein großes Geheimnis scheint über Past Lives zu schweben. Und Elliot gerät in große Gefahr.

Meinung:
Das Buch hat mich mit seinem interessanten Klappentext neugierig gemacht. Nachdem es dann vor mir lag, zog es mit seiner Optik gleich noch mehr Aufmerksamkeit auf sich. Ein transparenter Schutzumschlag mit einem geheimnisvollen Druck macht das Buch wirklich zu einem echten Hingucker in jedem Regal. Auf jeden Fall wollte ich das Buch so schnell wie möglich lesen. Und deshalb habe ich auch fast unmittelbar nach dem Eintreffen des Buches zu dieser Geschichte gegriffen.

Kaum hatte ich die ersten Seiten gelesen, befand ich mich mitten in einer dieser albtraumhaften Szenen, die niemand gern erleben möchte. Eine Gänsehaut eroberte nahezu meinen ganzen Körper und ich war sofort gezwungen, in der Geschichte voranzukommen. Dies gelang auch erstaunlich gut. Michelle Harrison führte mich in ihre erdachte Welt ein, so dass ich mit den Ereignissen Schritt halten konnte. Immer wieder gingen mir jedoch diese Bilder durch den Kopf… Dass ich nachts aufwache und dunkle Schatten in meinem Zimmer auf und ab wabern, sich mir nähern und ich absolut hilflos bin. Im Schlaf sozusagen gelähmt und handlungsunfähig bin. Eine gruselige Vorstellung, die die Autorin wirklich bemerkenswert vermitteln konnte.

Michelle Harrison präsentiert ihre Geschichte im personalen Stil in Vergangenheitsform aus der Sicht von Elliott. An den Ereignissen war ich damit immer sehr nah dran und konnte wirklich einschüchternd gruselige Szenen hautnah erleben. Ich hoffe, dass auch ich irgendwann mal wieder Schlaf finden werde…

Nach diesem rasanten Einstieg wurde die Geschichte allerdings immer wieder beruhigt. Nicht immer konnte ich mich in Elliotts Gedanken hineinversetzen und seine Handlungen verstehen. Irgendwann musste ich mir dann auch die Frage stellen, wohin denn dieses Ganze führen würde. Natürlich fühlte ich mich gut unterhalten und es wurden auch mehr oder weniger alle möglichen Geisterklischees erfüllt. Doch der rote Faden war mir zwischendurch dann doch ein wenig entglitten. Dennoch konnte ich die entstandenen Bruchstücke gut überwinden.

Einige aufkommende Längen konnten meinen Lesefluss ebenfalls nur unerheblich bremsen, zu sehr war ich von der Idee der Autorin gefesselt. Ich war auf jeder Seite auf der Hut, ich wollte mich nicht wieder in absoluter Hilflosigkeit überraschen lassen. Immer gelang es mir nicht, doch irgendwann war ich, genau wie Elliott, entsprechend gerüstet und gewappnet.

Die sich anbahnende Verbindung zwischen Elliott und Ophelia kam mir an einigen Stellen etwas zu gewollt vor, für die Geschichte selbst empfand ich diese Beziehung allerdings wichtig. Vieles wäre nicht passiert, wenn die Beiden nicht aufeinander getroffen wären. Jedoch fehlte mir hier ein wenig die Authentizität, der Funke sprang nicht so wie gewünscht auf mich über. Dafür waren beide Charaktere zu flach gehalten, auch wenn ich das ein oder andere im Laufe der Geschichte jeweils noch erfahren habe.

Zum Ende der Geschichte hin ergibt sich allerdings ein Sinn, den ich so nicht erwartet hatte, für den es rückblickend betrachtet jedoch genügend Indizien gab. Mit einem großen Aufgebot an spannungserzeugenden Handlungen schaffte es die Autorin, mich nochmals tief in die Geschichte zu ziehen und zu fesseln. Der Ausgang selbst lässt mich zufrieden auf diese Geschichte zurückschauen und damit kann ich dieses optisch und inhaltlich schöne Buch beruhigt in unser Regal stellen.

Urteil:
„Schlaf nicht ein“ machte es mir nicht immer leicht, einen Bezug zum möglichen Endpunkt der Geschichte zu finden. Michelle Harrison hat es dennoch geschafft, mich an die Seiten zu fesseln und viele schöne Lesestunden verbringen zu dürfen. Für diesen etwas anderen Buchgenuss vergebe ich an dieser Stelle knappe 4 Bücher.

Für alle Buchliebhaber, die trotz wirklich gruseliger Szenerien nicht die Nerven verlieren, Geschichten dennoch folgen können und sich von Nebensächlichkeiten nicht abhalten lassen.

©his-and-her-books.blogspot.de