Rezension

Hat meine Erwartungen enttäuscht

Die verschollene Jungfrau - Dieter Bührig

Die verschollene Jungfrau
von Dieter Bührig

Bewertet mit 3 Sternen

Wer das biblische Gleichnis von den törichten und den klugen Jungfrauen kennt, weiß, dass es jeweils fünf sein müssen. In Lübeck gibt es eine Figurengruppe bei der eine der törichten verloren gegangen ist. Als der Restaurator Florian diese Gruppe bearbeiten soll, erfährt er durch eine „Reise in die Vergangenheit“ der Restaurator Florian, wie es gewesen sein könnte.

Zur Zeit der französischen Besetzung Lübecks haben fünf sehr unterschiedliche Frauen einen Geheimbund „Die Nachtlilien“ gegründet, ihre Ideale lehnen sich dabei an die der französischen Revolution an, bezogen auf Freiheit und Gleichheit der Frau.

Der Autor nutzt in seinem Roman verschiedene Stilmittel. So ist eine besonders dramatische Szene wie eine Drehbuchszene geschrieben, zudem gibt es regelmäßig „Visionen“ in Gedichtform. Weiterhin spielt Musik eine große Rolle im Roman, vor allem die John Fields. Während ich die Drehbuchszene sehr interessant finde, kann ich mit Gedichten allgemein nichts anfangen. Auf die Musik John Fields bin ich dagegen richtig neugierig geworden.

Die Rahmenhandlung des Romans spielt in der Gegenwart und führt die Geschichte der Nachtlilien ein. Sie wird in der Mitte des Romans und am Ende fortgeführt, meiner Meinung nach hätte allerdings die Einführung am Anfang gereicht. Die Sinnhaftigkeit der beiden Fortführungen hat sich mir nicht erschlossen, ich fand sie eher störend.

Sehr gut gelungen ist dem Autor die Wiedergabe der Stimmung in der zunächst von den Franzosen eroberten und dann besetzten Stadt, die Kämpfe, das Elend, aber auch die Kollaboration und das langsame Normalisieren der Situation.

Weniger gelungen ist meiner Meinung nach die Charakterdarstellung. Die Nachtlilien blieben mir fast alle sehr fremd, ein Zugang zu ihnen wird nicht geschaffen. Nicht dargestellt wird leider auch, wie die Frauen sich kennenlernten und beschlossen sich zusammenzutun. Da alle doch sehr unterschiedlich sind und sich teilweise noch nicht einmal mögen, wäre das doch sehr interessant gewesen. Ebenso konnte ich nicht nachvollziehen, warum sie konspirative Treffen nötig haben, ist eine von ihnen doch alleinstehend und einem Treffen in deren Haus hätte nichts entgegengestanden. So kommt mir dieser wichtige, handlungstragende Punkt doch sehr aufgesetzt vor.

Der Roman wartet mit zahlreichen Wiederholungen auf, die nicht nur unnötig sind sondern auf mich auch sehr störend wirkten, besser hätte der Autor die Geschichte der Frauen ausführlicher erzählt. Ebenso störend fand ich die ständigen Perspektivewechsel, die ich sonst in der Regel begrüße, die hier aber nur dazu beitrugen, dass man keine der Frauen – und auch keinen der handelnden Männer – wirklich kennenlernte. Auch gibt es einige Szenen, die meiner Meinung nicht handlungsrelevant sind, die nur irritieren und die dann auch nicht weitergeführt werden, auch auf sie hätte man gut verzichten können, auch hier hätte man besser die Erzählung mehr auf die Frauen fokussiert. Die Geschichte kommt mir daher etwas unausgegoren vor. Der Autor hat offenbar eine Message, bei mir kam die jedoch nicht an.

Der Roman wird als „historischer Kriminalroman“ betitelt. Ich finde das etwas irreführend und nicht wenige Fans historischer Kriminalromane werden letztlich enttäuscht sein, denn eine Krimihandlung konnte ich nicht wirklich ausmachen.

Insgesamt hat mich der Roman eher enttäuscht, ich hatte mir mehr erwartet. Eine Empfehlung kann ich daher nur bedingt aussprechen. Wer Freude an klassischer Musik hat, wird möglicherweise das Buch genießen können.