Rezension

Herr Verleger denkt nach

Komm - Janne Teller

Komm
von Janne Teller

Bewertet mit 2 Sternen

Eine Winternacht in Kopenhagen. Soeben hat ein Verleger das neue Manuskript seines Bestsellerautors in den Satz gegeben. Da taucht eine Frau auf und behauptet, der Autor habe ihre Geschichte gestohlen. Der Verleger gerät in einen Zwiespalt. Gelten in der Kunst moralische Regeln? Er lässt sein eigenes Leben an sich vorüberziehen und beginnt, immer mehr an seiner Weltsicht zu zweifeln. Doch er muss eine Entscheidung treffen. (Verlagsseite) 

Es war einmal eine Zeit vor ca. 40 Jahren. Damals pflegten Schriftsteller in sich zu gehen und was sie dort fanden, das schrieben sie auf. Bereitwillig verquickten sie die Fundstücke mit etwas Philosophie oder Kulturwissenschaft, gern genommen wurde auch Psychologie.
So mutet das Buch stellenweise an. 

Dem Klappentext nach zu urteilen erwartet den Leser eine nachdenkliche Geschichte mit einem Verleger, dessen Auseinandersetzung mit der Frau, die einen Autor des Plagiats beschuldigt, und einem Einblick in das Leben des Verlegers. Doch dem ist nicht so, denn das Buch erzählt, was sich im Kopf des Verlegers abspielt, gibt seine Gedanken, Gefühle und Rückblicke in dieser Winternacht wieder.

Dieses Buch, in der Technik des Stream of Consciousness geschrieben, ist ein Ein-Personen-Stück, in dem sich der Protagonist vor allem mit zweierlei beschäftigt: Einem Vortrag, den er am nächsten Tag vor einem internationalen Gremium über Ethik in der Verlags- und Literaturbranche halten soll, und mit dessen Niederschrift er noch nicht begonnen hat. Und dem Besuch Petra Vinters, der Frau, die behauptet, ein Autor habe ihr die Geschichte gestohlen, die gerade als Roman in Druck gehen soll. Am gleichen Abend ist der Verleger eigentlich zu einer Abendgesellschaft eingeladen, die für die politische Karriere seiner Frau maßgeblich ist.
Andere Personen, seine Frau, verschiedene Geliebte und Petra Vinter, sind letztlich nur Staffage, aber keine direkt handelnden Personen. 

Es sind große moralische und ethische Fragen, mit denen sich der Protagonist beschäftigt: Wem gehört eine Geschichte? Darf jeder (über) alles schreiben? Wo verläuft die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit, zwischen Realität und Wahrheit? Wie sieht es damit in der Praxis der Literaturschaffenden aus? Sicher, als Diskurs und kontroverse Erörterung zu Moral und Ethik in der Literatur bietet das Buch allerhand bedenkenswerte Hypothesen und Reflexionen; wohltuend auch, dass weder Autorin noch Protagonist am Ende eine unumstößliche Antwort bieten, sondern den Leser zu seiner eigenen herausfordern.
Dennoch: Was einen Kulturwissenschaftler, Literaten oder Philosophen beglücken könnte, kann bei jemandem, der nachdenkliche Lektüre mit Handlung und Personengeflecht sucht und auf ein ähnlich gestricktes Buch hofft wie andere Romane der Autorin, zu Enttäuschung führen.
Hätte man das Buch dementsprechend beworben, wäre dies zumindest ausgeschlossen.