Rezension

Hundehalsband, Plastikschwäne und ein Reh

Zandschower Klinken -

Zandschower Klinken
von Thomas Kunst

Bengt Claasen hat auf das Armaturenbrett seines Autos das Hundehalsband gelegt und fährt nun so vorsichtig, dass es dort liegen bleibt. Denn an der Stelle, an der es herunterfällt, will er anhalten und ein neues Leben beginnen. Jedes Jahr um diese Zeit organisiert Wolf am Teich das Darajani-Fest. Das Reh ist nun in Cartagena, macht dort einen Sprachkurs und fährt Taxi. Levenhaug ist das Dorf mit den meisten Hometrainern der Region, und heute starte ich für das Team Bahrain-Merida auf der sechzehnten Etappe der Tour de France von Carcassoone nach Bagnéres-de-Luchon. Das Zerreißen alter Briefe aus dem neunzehnten Jahrhundert. Am Dienstag wird trainiert, an einem wiederbelebten Geldautomaten zwischen den Bäumen am Feuerlöschteich keine Scheu zu haben, sich in vier bis fünf unterschiedlichen Sprachen zurechtzufinden, um in der Welt nicht leer auszugehen. Und alles in umgekehrter Reihenfolge.

Blühender Blödsinn? Ja, vielleicht. Das Buch birgt keine durchgehende Handlung, keinen plot, und auch die handelnden Personen kommen mir nicht näher. Stattdessen: Kurze Schnipsel, die in immer wieder neuen Anordnungen wiederholt und teils leicht abgewandelt werden. Irgendwo im Text wird die Todesfuge erwähnt; ich nehme an, es ist das Gedicht von Paul Celan gemeint. Soll das hier eine Fuge sein? Es gibt tatsächlich mehrere Themen/Melodien/Textstücke, die mehrfach auftauchen - eine "Durchführung"? Vielleicht wäre es möglich, dieses Buch als Fuge zu analysieren. Das habe ich jedoch nicht versucht; zu wenig hat es mich angesprochen. Ja, es ist originell, es ist experimentell - aber für mich ein bisschen zu viel. Denn ich wünsche mir doch einen Sinn, den ich verstehen kann, Emotionen, die ich mitfühlen kann oder auch eine Handlung, die ich verfolgen kann. Für dieses Buch bin ich schlicht zu altmodisch.

Das Buch steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Buchpreis 2021.