Rezension

Ich werde auf dich warten, ganz gleich, wie lange es dauert

Eine Liebe zwischen den Fronten - Maria W. Peter

Eine Liebe zwischen den Fronten
von Maria W. Peter

Ich werde auf dich warten, ganz gleich, wie lange es dauert

Die Verlobungsfeier des deutschen Adelssprosses Paul von Gerlau und der französischen Arzttochter Madeleine Tellier findet durch Pauls Einberufung ein jähes Ende. Nachdem während einer äußerst angespannten politischen Lage Napoleon III Preußen den Krieg erklärt hat, stehen Paul und Madeleine plötzlich auf gegnerischen Seiten. Paul arbeitet in seiner Funktion als Stabsarzt an der Front, in ihm schwelt ein ohnmächtiger Zorn über die sinnlosen Gräuel des Krieges. „Er sieht in den Menschen stets nur den Patienten, ohne Ansehen der Person, der Herkunft oder der Vergangenheit.“

Während Paul sich um das Wohlergehen seiner Verlobten sorgt, muss diese einen schweren persönlichen Verlust hinnehmen. Madeleine arbeitet während des Krieges bis zur völligen Erschöpfung als Krankenschwester, ein Loyalitätskonflikt zerreißt sie innerlich. Schließlich ist die große Liebe ihres Lebens nun plötzlich „der Feind“, und besonders Madeleines Bruder Clément würde niemals einen Preußen als Schwager akzeptieren.

Die abrupte Trennung der beiden Liebenden, die kriegerischen Auseinandersetzungen ihrer Heimatländer, Hunger, Krankheit, Erschöpfung und das Grauen in den Lazaretten werden grausame Realität. Paul und Madeleine wünschen sich nichts sehnlicher, als eine gemeinsame Zukunft nach dem Krieg.

Maria W. Peter präsentiert mit ihrer aktuellen Neuerscheinung einen atemberaubenden, über sechshundert Seiten umfassenden Roman über den Deutsch-Französischen Krieg. Sie beschreibt die Geschicke dreier Familien in einem Zeitraum von 1870 bis 1872, eingebettet in akribisch recherchierte historische Fakten. Ihre Protagonisten Paul und Madeleine erleben nach der geplatzten Verlobung den Ausbruch des Krieges, den Sturz des französischen Kaisers und die Ausrufung der République française. Bis zum Friedensschluss des neuen Deutschen Kaiserreiches mit der neu gegründeten Republik darf man als Leser die Protagonisten begleiten, spürt hautnah die Schrecken des Krieges, die ohnmächtige Wut, den grenzenlosen Hass, die Angst, Unsicherheit und schlimmste Entbehrungen der handelnden Figuren, aber dazwischen auch immer wieder Funken der Menschlichkeit mitten im Elend und in der Not.

Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren hat mir ausgezeichnet gefallen. Sowohl die beiden Protagonisten, als auch sämtliche Nebenfiguren sind vielschichtig dargestellt und besitzen hohe Authentizität. Madeleine und Paul müssen um ihre Liebe und ihr zukünftiges gemeinsame Leben bangen, sie setzen während des Krieges aufopfernd und unermüdlich ihr medizinisches Wissen im Dienst an den Verwundeten ein. Das zierliche algerische Dienstmädchen der Familie Tellier steht Madeleine zur Seite. Die sanftmütige und ruhige Djamila hat eine tragische Vergangenheit, sie sorgt sich zudem um ihren geliebten Bruder Karim. Dieser wird ebenfalls zu einer Schlüsselfigur im vorliegenden Roman – durch ihn lernt der Leser die Trailleurs Algérien kennen, die sogenannten Turcos, die als Söhne der Wüste und unerschrockene Kämpfer der französischen Armee gegen die deutschen Feinde agieren. Der Fokus der Autorin richtet sich jedoch auch auf Madeleines Bruder Clément, einen jungen Jurastudenten mit ungezügeltem Temperament und aufrührerischem Gedankengut. Clément hält nichts von den Idealen seines friedliebenden Vaters, er ist eine getriebene Seele, innerlich zerrissen zwischen hasserfüllten und fanatischen Überzeugungen und der Liebe zu seiner Familie. Sein radikaler Einsatz für die Pariser Kommune bestimmt letztendlich Cléments Denken und Handeln.

Paul von Gerlaus unsicherer und weltfremd wirkender Bursche Hagemann, das unbeirrbare Dienstmädchen Schultze Kathrin, die resolute, aber äußerst warmherzige alte Ordensschwester Gertrud und die arrogante und selbstgerechte Mutter von Madeleine sind wichtige Nebenfiguren dieses Buches. In kleinen Gastauftritten begegnet man darüber hinaus historischen Persönlichkeiten wie Henri de Rochefort, Léon Gambetta, Kaiserin Eugénie und Otto von Bismarck.

Der wunderschöne Schreibstil der Autorin und ihre gewählte Sprache haben mich auch in der vorliegenden Neuerscheinung begeistert. Die Kriegshandlungen und die unvorstellbaren Schrecken auf den Schlachtfeldern sowie das große Leid der Verwundeten, aber auch die schlimmen Entbehrungen der Bevölkerung im Zuge der Belagerungen werden dem Leser drastisch vor Augen geführt. Und dennoch dürfen die Figuren der Handlung immer wieder auch Lichtblicke in all dem Grauen erleben – sie erfahren Menschlichkeit und Nächstenliebe, Hilfe unter Einsatz des Lebens inmitten des Krieges. Obgleich die historischen Fakten bekannt sind, birgt dieser Roman einen gewissen Spannungsfaktor und ich brannte förmlich darauf, mehr über das Schicksal der einzelnen Charaktere in Erfahrung zu bringen. Die Einbindung von Dialekten sowie französischer und algerischer Ausdrücke unterstrich die glaubwürdige Darstellung der handelnden Figuren. Ein ausführliches Glossar am Ende des Buches lässt keine Fragen über die Bedeutung bestimmter Begriffe sowie in die Handlung eingebrachte Redewendungen und Ausdrücke in algerischer oder französischer Sprache offen.

Neben der anziehenden optischen Aufmachung dieses Buches mit der Abbildung der Protagonistin Madeleine Tellier auf dem Cover möchte ich auch das Personenverzeichnis und eine detaillierte Karte der Schauplätze der Handlung des Jahres 1870 hervorheben. Ein vierzehn Seiten umfassendes Nachwort entpuppt sich als wertvolle Zusammenfassung historischer Fakten, die Autorin erläutert hier auch ihre eigenen Beweggründe für die Entstehung dieses Buches. Interessante Reise- und Stöbertipps runden das Ganze ab und laden den Leser dazu ein, sich die Schauplätze der Handlung näher anzusehen und auf den Spuren von Madeleine und Paul zu wandeln.

Maria W. Peter hat mir bereits mit einigen Romanen allergrößtes Lesevergnügen bereitet, und ich wurde auch diesmal nicht enttäuscht. Ich empfand „Eine Liebe zwischen den Fronten“ als interessante Unterhaltung auf sehr hohem Niveau, als beeindruckende, emotional fordernde, aber auch äußerst tiefgründige Lektüre, die mich voll und ganz in ihren Bann gezogen hat. Die Geschichte einer großen Liebe, tragische Familienschicksale und der Funke der Menschlichkeit inmitten der Gräuel des Deutsch-Französischen Krieges wurden zu einem imposanten Roman verwoben, der noch lange in mir nachwirken wird.

Fazit: Großartige Unterhaltung, lebendige Charaktere, ausgezeichnet recherchierte historische Fakten und ein atemberaubender Inhalt, dargebracht in hervorragendem Schreibstil – absolut begeisterte fünf Bewertungssterne für dieses grandiose Lesehighlight!

„Das Wissen darum, dass alle Menschen gleich sind, das habe ich von meinem Vater. Dass es überall Gute und Schlechte gibt. Und dass gerade auch in dunklen Zeiten nichts wichtiger ist als die Menschlichkeit. Im Übrigen bin ich nicht gewillt, Menschen als Feinde zu sehen, nur weil sie zufällig auf der anderen Seite des Rheins geboren sind und eine andere Sprache sprechen.“ (Madeleine Tellier)