Rezension

Im Stakkato zerstottert

Das Singen der Sirenen - Michael Wildenhain

Das Singen der Sirenen
von Michael Wildenhain

Bewertet mit 1 Sternen

Eines sollte man aus der Odyssee gelernt haben: Die Sirenen sollte man besser nicht singen hören. Wildenhains Sirenengesang hätte ich mir auch lieber gespart: Sein sprachlich experimenteller, in eigenwilligen Splittern dahingeschepperter Roman hat mich genervt. Statt der Ohren wollte ich mir die Augen zuhalten (um im homerischen Bild zu bleiben).

Den Klappentext kann man lesen, ich spar mir die Inhaltsangabe. Auch deshalb, weil sie wenig mit dem zu tun hat, was mir der Roman vermittelt hat. Jörg Krippen, der Literaturwissenschaftler auf Dozentur in London, ist ein Lappen; seine Frauenbeziehungen sind eskapistische Midlifecrisis-Erscheinungen; Berlin ist ein Scherbenhaufen aller Insiderorte, die nicht „in“ sind, die nur dem ein Begriff sind, der Berlin sehr, sehr gut kennt. Zum Beispiel: „Blick über das RAW in Schöneweide“. Wer weiß denn außerhalb des VEB-Kiezes in Schweineöde, dass damit das Reichsbahnausbesserungswerk gemeint ist?

Am unangenehmsten hat mich die Sprache getroffen: Wildenhain verweigert sich einem Erzählfluss. Er probiert sprachlich aus, gibt einzelnen Passagen unterschiedliche Tempi, Stile, Tiefen. Herauskommt aber ein experimentelles Durcheinander, das ich nervtötend fand. Substantive werden im Stakkato auf mich abgeschossen, absatzweise wird kein Satz beendet, sondern in der Ellipse erstickt; einander folgende Absätze beginnen gleich - das hat seinen Sinn, stieß mich aber vor allem auf die häufigen Wiederholungen im Text und mir übel auf.

Durcheinander ist auch das Stichwort für das Erzählkonzept Wildenhains, der Zeiten und Szenen in zum Teil Satz auf Satz folgenden Ebenen verschränkt, mischt oder - verwirrt. Auf artifizielle, höchste elaborierte Passagen folgen mitunter provokant geschleuderte Fäkalausdrücke, die kaum zu einander passen. Ich bin überzeugt davon, dass der Autor sehr viel Mühe darauf verwendet hat, so viele Motive, Zeiten, Ideen, Personen und Aussagen gegenüberzustellen und das sicherlich auch kunstvoll nennt. Mir hat es den hinter dem Text liegenden Sinn nicht aufgeschlossen und stattdessen eine etwaige Erzählung buchstäblich in Stücke geschlagen.

Just davor habe ich einen südamerikanischen Meistererzähler gelesen; dafür kann Wildenhain nichts, aber der Kontrast macht mir deutlich, was „Das Singen der Sirenen“ vor allem unterlässt: Geschichten gut zu erzählen.