Rezension

Jack Reacher zum fünfzehnten

Wespennest - Lee Child

Wespennest
von Lee Child

Ein heruntergekommenes Motel in Nebraska. An der Bar hört Jack Reacher, wie der Dorfarzt die Behandlung einer Patientin verweigert. Er zwingt ihn dazu und stellt fest, dass Eleanor Duncan von ihrem Mann geschlagen worden ist; nicht zum ersten Mal. Reacher verpasst dem Ehemann die gleiche Behandlung. Dabei muss er feststellen, dass Seth Duncan nicht nur seine Frau tyrannisiert, sondern zusammen mit seinem Vater und zwei Onkeln den ganzen Landstrich beherrscht: Die Duncans haben eine Transportfirma und das Monopol auf den Transport der Ernte; wer nicht gehorcht, wird boykottiert und damit bankrott. Zur Unterstützung seiner Forderung hat die Familie zehn kräftige junge Männer eingestellt, eine eigene Einsatztruppe.

Jack Reacher ist allein gegen eine Übermacht, doch das erschreckt ihn nicht. Als er erfährt, dass die Familie Duncan vor 25 Jahren des Mordes an einem achtjährigen Mädchen verdächtigt wurde, ist er alarmiert. Die Polizeiakten wecken Zweifel. Und während seiner Untersuchung muss er feststellen, dass offensichtlich auch jetzt illegale Machenschaften laufen, in denen nicht nur die Duncans verstrickt sind. Zur Unterstützung der Interessen anderer Beteiligter kommen ein halbes Dutzend weitere Männer, die viel gefährlicher als Duncans Schlägertruppe sind.

Allein gegen eine Übermacht - schon seit David und Goliath ist das ein spannendes Thema. Jack Reacher ist ein sympathischer Held, dem man viel Erfolg wünscht. Er ist ein "lonely ranger", der für Recht und Gesetz eintritt, ein Ritter, der die Bedrängten schützt. Dabei kann er keine Punkte für Kampfstil einfahren, denn er muss ohne Skrupel auch unfaire Techniken anwenden. Dennoch wird deutlich, dass er sich so weit wie möglich zurückhält. Die unausgesprochene Devise lautet "Zahn um Zahn", und so verpasst er Duncan Nasenbluten wie dieser seiner Frau und tötet diejenigen, die an zahlreichen Morden schuldig sind. Reacher ist nicht nur moralisch überlegen und gewinnt die körperlichen Auseinandersetzungen, er erkennt auch die Pläne seiner Gegner und kann sie unterwandern. Alles in allem also eine Art Superheld, auch wenn er als angeschlagener Mann dargestellt wird, der mit schwersten Zerrungen auftritt und mit einem Nasenbruch abtritt.

Eigentlich mag ich keine Superhelden; wenn ein Protagonist den anderen so sehr überlegen ist, kann ein Buch nicht mehr spannend sein. Auch hier kommt kein Zweifel am siegreichen Ausgang auf, aber dennoch bleibt Spannung: Was ist denn nun das Geheimnis der Duncans? Dieses ist das erste Buch über Jack Reacher, das ich gelesen habe, und obwohl Bezug auf andere Bücher genommen wurde, ist das Verständnis kein Problem. Reacher bleibt so eine geheimnisvolle Figur. Doch insgesamt hat mir das Buch gefallen, und ich habe mir vorgenommen, diese Serie von Anfang an zu lesen.