Rezension

Jugendbuch mit Tiefe

Der Widerspruch - Herbert Günther

Der Widerspruch
von Herbert Günther

Bewertet mit 5 Sternen

„...Alle warten auf irgendetwas, aber nichts kommt...“

 

Wir schreiben das Jahr 1963. Für Reni, Robert, Jonas und Britta ist das ihr vorletztes Schuljahr auf der Realschule. Die vier jungen Leute kommen aus unterschiedlichen Verhältnisse. Jeder hat seine Träume für die Zukunft.

Der Autor hat einen beeindruckenden Jugendroman geschrieben. Das Buch hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Es ist ein historischen Zeitgemälde. Noch dominiert das Alte, doch es regt sich Widerspruch.

Der Schriftstil des Buches ist von hohem Niveau und sehr vielseitig. Das Buch gliedert sich in die vier Jahreszeiten. Jeder Abschnitt beginnt mit Zeitungsausschnitten, die wichtige Ereignisse in Europa und der Welt repräsentieren. Es ist das Jahr des Kennedybesuchs in Berlin, aber auch seiner Ermordung.

Die vier jungen Leute kommen abwechselnd zu Wort. Dabei wird aber von jedem die Geschichte fortgeführt. Obiges Zitat stammt von Reni. Sie will weg aus dem Dorf. Sie sehnt sich nach Veränderungen.

Robert galt lange als Traumtänzerin. Seit er aber bei der Schülerzeitung mitarbeitet, ist er selbstbewusster geworden. Nun stellt er sich der Wahl zum Klassensprecher.

Jonas hat schon ein Schuljahr wiederholt. Er wird gern vom Lehrer als Zielscheibe genommen. Dabei weiß keiner um seine häuslichen Probleme. Er lebt allein mit der Mutter, die finanziell vom Bruder des Vaters, einem Bankdirektor, unterstützt wird. Sein Vater ist wenige Jahre nach Kriegsende gestorben.

Britta stammt aus Stralsund. Sie hat mit ihren Eltern die DDR verlassen. Ihre neue Freiheit will sie sich nicht nehmen lassen. Doch sie muss erkennen, dass auch ihr neues Leben seine Schattenseiten hat. Wer Geld hat, hat das Sagen!

Im Verhalten und vor allem in den Gesprächen der Schüler wird die politische Situation deutlich. Manche Lehrer rühmen sich ihrer Kriegserlebnisse. Trotzdem sehen sich alle nur als Mitläufer, nicht als Täter. Wer einst gegen das Naziregime gekämpft hat, schweigt darüber, um nicht scheel angesehen zu werden. Zwei Personen drohen daran zu zerbrechen. Das ist zum einen Jonas` Mutter, zum anderen der Lehrer Dr. Freytag.

Der Autor versteht es, die Entwicklung der jungen Leute durch ihr Handeln und Reden deutlich zu machen. Sie lassen sich nicht vereinnahmen und stehen zu ihrem Tun. Besonders Jonas gewinnt zunehmend an Stärke und ist für die anderen Ansprechpartner und Halt. Natürlich gibt es schon erste radikale Tendenzen. Das Jahr 1968 wirft seine Schatten voraus.

Das Cover ist auffallend. Der Umschlag besteht aus einer Zeitungsseite. Ein aufmerksamer Leser findet darauf eine kurze Charakteristik der Hauptpersonen. In dieser Zeitungsseite ist ein Kreis ausgestanzt, der einen Blick auf einen blauen Himmel mit dem Titel ermöglicht.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es gehört als Lektüre in jeden Geschichtsunterricht, denn in der Handlung wird Geschichte lebendig.