Rezension

Kaffee im Blut

Der Duft der weiten Welt - Fenja Lüders

Der Duft der weiten Welt
von Fenja Lüders

Bewertet mit 4 Sternen

Das schöne Hamburg im Jahr 1912 ist die Heimat unserer Protagonistin Mina Deharde, einer Kaufmannstochter die gerade an der Schwelle zum Erwachsenwerden steht. Immer schon interessiert sie sich für die Arbeit ihres Vaters im Kaffeekontor und eifert ihm stark nach. Einen Ehemann zu finden steht bei ihr nicht an oberster Stelle, sondern eher das Hinarbeiten auf ein selbständiges Leben, das ihr eventuell ein Studium ermöglichen würde. Mit "Kaffee im Blut" und mathematisches Geschick kann sie im Kontor allen gut zur Hand gehen. Jedoch sind die Aussichten auf die Übernahme des Kaffeekontors zu dieser Zeit gleich Null, denn Frauen werden nicht an der Kaffeebörse geduldet.
Die junge Mina lässt sich jedoch nicht unterkriegen, als ihr Vater aufgrund von Krankheit kaum mehr seiner Arbeit nachkommen kann.

Die Geschichte liefert ein Historiendrama, das die Zeiten Anfang des 20. Jahrhunderts sehr gut widerspiegelt. Mina ist engagiert und nicht auf den Kopf gefallen, trotzdem lässt sie die Gesellschaft nicht in die Fußstapfen des Vaters treten. In den höheren Kreisen wird von ihr erwartet, dass sie die Rolle der vornehmen Hausdame einnimmt, was ihr sehr widerstrebt. In der Familie Deharde gibt es jedoch keinen Sohn, der den Kontor übernehmen konnte.

Minas Geschichte wird sehr facettenreich erzählt, die Autorin verfällt jedoch nicht in emotionales "Gesülze", was vielleicht der eine oder andere bei diesem Genre befürchten würde. Ich wurde sehr positiv überrascht, dass ich richtig mit Mina mitfieberte und ihre Sorgen mit ihr teilte. Die gesellschaftlichen Forderungen können nicht einfach vom Tisch gewischt werden.
Zudem kommt auch noch die erste Liebe ins Spiel. Auch hier lässt sich die Autorin nicht zu Handlungen hinreißen, die in 1912 undenkbar waren, sondern bleibt den historischen Gegebenheiten treu.

Insgesamt ist mir die Familie Deharde sehr ans Herz gewachsen und die aufgeführten Charaktere wurden vielschichtig beleuchtet. Man trifft nicht auf plumpe Gestalten, sondern sieht in jedem die einzelne Individualität. 

Die Seiten flogen beim Lesen nur so dahin. Man kann die Geschichte sehr schnell in einem weglesen, da man unbedingt wissen möchte, was nun mit den Figuren passiert und wie jeder einzelne reagieren wird. Auch vom Erzählstil ist die Geschichte einfach gehalten, jedoch nicht im negativen Sinne, sondern eher "gerade heraus". Einige Hamburger Ausdrücke waren eine nette Abwechslung, die die örtliche Platzierung der Geschichte noch authentischer werden ließ. 

Ein paar Kleinigkeiten sind mir etwas negativ aufgefallen, jedoch gehe ich davon aus, dass die Autorin diese zum Spannungsaufbau und auch für den gewissen Reiz an den Folgebänden fast schon einbauen musste. Trotzdem empfand ich es als sehr schade, dass etwa das letzte Drittel schon sehr auf Mina bezogen war und einige Nebenfiguren kaum mehr erwähnt werden. 

Ich hatte anfangs wirklich nicht geglaubt, dass ich so ein großes Interesse an den Folgebänden haben werde, jedoch ist dies nun definitiv der Fall! Ich bin unendlich gespannt, wie es mit Mina weitergehen wird und was sich innerhalb der Familie noch alles entwickeln wird. Der Auftakt ist der Autorin meiner Meinung nach sehr gelungen, so dass ich die Geschichte empfehlen möchte.