Rezension

Kein Kinderbuch, auch wenn es oft so verkauft wird

Oliver Twist - Charles Dickens

Oliver Twist
von Charles Dickens

Bewertet mit 5 Sternen

Oliver Twist ist ein Waisenjunge, der mit 9 Jahren zum Arbeitshaus gebracht wird, wo er für ein Bestattungsunternehmen arbeiten soll. Die Behandlung des Kindes ist lieblos und brutal, ungerecht und unmenschlich. Er flüchtet und gelangt zu einer Verbrecherbande, die ihn anfangs scheinbar besser behandeln (das Bild des bösen Juden ist hier sehr stereotyp und vorurteilsbehaftet, das passt aber in die Zeit des Entstehens der Geschichte hinein), wird schließlich bei einem Taschendiebstahl, den seine Mitkumpanen begehen, verhaftet und von einem noblen Herren gesundgepflegt. Doch die Verbrecher geben nicht auf und spüren Oliver, der zuviel über sie weiß, schließlich auf...

Entgegen der Ausgabe, die ich habe (Dressler Klassiker, übersetzt von Reinhard Kilbel), die den Roman als Kinderbuch ausgibt (der Text ist ungekürzt und unverändert), ist es jedoch KEIN Kinderbuch.

Man sollte schon etwas über die englische Gesellschaft der Zeit wissen, sonst versteht man nur die Hälfte. Auch die Ereignisse und schlechten Behandlungen würden ein Kind wohl eher nur verwirren und verstören, ohne Hintergrundkenntnisse. Ebenso ist das Bild des "Juden" ungefiltert und ungeklärt doch etwas zu harsch, so dass ein Kind da einen falschen Eindruck bekomme. Die Ereignisse sind auch teilweise sehr brutal, also auch nicht unbedingt geeignet.

Es ist auch ursprünglich nicht für Kinder gewesen (ähnlich wie der "Struwelpeter"), sondern wurde von der Mittel- und Unterschicht von Erwachsenen in einem Fortsetzungsroman gelesen.

Fazit: Charles Dickens hat hier einen tollen zeitlosen gesellschaftskritischen Roman geschrieben, den man heute immer noch gut lesen kann, aber bitte dann als Erwachsener! Sehr zu empfehlen!