Rezension

Klassische Detektivgeschichte mit Ecken und Kanten

Zu schön, um tot zu sein - Simon Mason

Zu schön, um tot zu sein
von Simon Mason

Vielsprechender Auftakt zu einer Krimi-Reihe, die hoffentlich fortgesetzt und übersetzt wird

„Zu schön, um tot zu sein“ erschien 2014 im Fischer Verlag und landete verspätet auf meinem To-Read-Stapel, weil ich im Moment ein Faible für Detektivgeschichten habe. Wer gerne ruhige Kriminalfälle liest und nicht müde wird, gemeinsam mit der Hauptfigur einen Verdächtigen nach dem anderen abzuklappern, Zeugen zu befragen, Spuren zu sichern, Alibis zu überprüfen und Puzzlestücke zusammenzusetzen, dem kann ich das Buch nur ans Herz legen. Trotz einiger Kanten und Ecken sticht der Roman aus der großen Auswahl in diesem Bereich heraus.
Es ist eine jener Geschichten, die sowohl von Jungs als auch Mädchen (14+) gelesen werden können und sogar Erwachsenen gefällt. Allerdings macht Simon Mason es dem Leser nicht ganz leicht: denn sein Meisterdetektiv ist nicht unbedingt ein zugänglicher Charakter.

Garvie Smith ist ebenso faul wie ungewöhnlich – trotz eines beachtlichen IQ hängt der 15jährige zum Leidwesen seiner Mutter am liebsten mit seinen Kumpels auf einem alten Spielplatz rum. In die Schule geht Garvie eher sporadisch, lieber trinkt und raucht er oder beschäftigt sich mit mathematischen Rätseln. Bis… ja, bis eines Tages die gleichaltrige Schulschönheit Chloe Dow ermordet wird. Für den sonst notorisch gelangweilten Garvie ist der mysteriöse Tod von Chloe eine echte Herausforderung. Er entwickelt einen gefährlichen Ehrgeiz, den Fall selbst zu lösen und kommt dabei nicht nur dem schlecht gelaunten Inspektor Singh in die Quere, sondern auch dem Mörder.

Für ein Jugendbuch ist der Fall erstaunlich komplex. Die Handlung ist in den Ausläufern einer englischen Kleinstadt angesiedelt und kratzt oberflächlich an Themen wie Einwanderung, Drogenmissbrauch und sozialem Status. Die Dialoge sind teilweise etwas derber und die Protagonisten sind allesamt auf die ein oder andere Weise schwierig. Da gibt es Chloes Exfreund Alex, der in soziales Abseits driftet, Chloes Freundin Jess, die alles für ein wenig Aufmerksamkeit tut, Naylor, den psychopathischen Hausmeister, einige skrupellose Kasinobesitzer, den etwas galligen Inspektor Singh und natürlich Garvie, den Gelangweilten.

Wer nun denkt „Puh, das hört sich aber bedrückend und schwermütig an“, keine Angst – „Zu schön, um tot zu sein“ (im engl. Original etwas griffiger ‚Running Girl’) ist in erster Linie eine klassische Detektivgeschichte. Mason schreibt flüssig und locker und hält kontinuierlich aber maßvoll Spannung, indem er den Leser ständig an der Nase herumführt. Ab und zu greift er in die stilistische Trickkiste und gibt Szenen in einer Art Protokollform wieder oder lässt einen angenehm trockenen Humor aufblitzen, wenngleich ich den Eindruck hatte, dass der Autor sich nicht ganz sicher war, wie viel Witz die Geschichte verträgt.
Das wichtigste aber: Trotz einiger kleiner Ungereimtheiten wird der Fall logisch aufgelöst. Ich kann der Geschichte das Ende ehrlich abkaufen, was bei einem Krimi den Gesamteindruck ganz entscheidend ausmacht.

Einziges Problem war für mich die rudimentäre Ausarbeitung der Charaktere, die kaum etwas über ihr Innenleben preis geben. Garvie bildet da keine Ausnahme – er ist zwar ein sympathischer aber auch undurchsichtiger, fast emotionsloser Charakter. Warum er sich so starrsinnig in den Fall ‚Chloe Dow’ festbeißt, habe ich ehrlich gesagt nicht wirklich nachvollziehen können.

Weil so viel Platz für eine Charakterentwicklung der Hauptfiguren bleibt, hatte ich den Eindruck, „Zu schön, um tot zu sein“ könnte als Auftakt zu einer Serie geplant sein. Aber beim Fischer Verlag liegen keine Infos zu einer Fortsetzung vor.

Schade. Ich hätte sie gelesen!

Nachtrag: Na, das ist mal eine gute Nachricht. Heute gab es erneut eine Rückmeldung vom Fischer Verlag. Simon Mason schreibt aktuell an einer Fortsetzung zu "Running Girl"/"Zu schön, um tot zu sein". Wann der zweite Band erscheint, steht noch in den Sternen. Aber wir wollen mal nicht drängeln. Hauptsache, Garvie kommt zu uns zurück.
Und jetzt psssst... ganz leise, Simon Mason muss sich konzentrieren!