Rezension

Kriegstraumata

Abgesang - Anna Hope

Abgesang
von Anna Hope

Bewertet mit 4 Sternen

London, 7. bis 11. November 1920. Auf Anordnung der englischen Regierung werden die Überreste eines unbekannten englischen Soldaten auf dem Schlachtfeld an der Somme exhumiert, nach London überführt und mit militärischen Ehren in der Westminster Abbey bestattet. Dort leben auch drei Frauen unterschiedlichen Alters und sozialer Herkunft, deren Gemeinsamkeit darin besteht, vom Großen Krieg persönlich betroffen zu sein. Ada ist im Ungewissen, ob ihr 18jähriger Sohn an seinen Verwundungen gestorben oder noch am Leben ist, wie sie sich wahnhaft vorstellt. Die fast 30jährige Evelyn hat ihren Verlobten verloren und verbittert darüber zusehends. Der Bruder der 19jährigen Hettie ist seit seiner Kriegsheimkehr psychisch traumatisiert, so dass sich Hettie als Tanzpartnerin in einem Tanzpalast vermietet, um den Familienunterhalt zu verdienen. Sie hofft auf eine reiche Partie. Die Schicksale aller drei Frauen sind miteinander verwoben. Knotenpunkt ist Evelyns Bruder Ed, der als Colonel in Frankreich diente …

 

Schon der formelle Aufbau des Buches ist ansprechend. Den Rahmen bildet die auch durch das Schriftbild abgehobene Beschreibung der Exhumierung und Überführung eines Soldaten. Sie setzt sich als roter Faden fort. Angesichts des kriegsbedingten Leids des Volkes wirkt die dahinterstehende Intention der englischen Regierung sarkastisch und lächerlich. Die Exhumierung und Bestattung eines unbekannten Soldaten wird zum Schachzug einer Regierung.

Der Roman zeigt in gelungener Weise auf, wie tief die Wunden und Traumata eines Krieges im Volk sitzen. Im Vordergrund stehen dabei nicht die Männer, die für ihr Land in den Krieg gezogen sind, sondern die Leiden dreier Frauen, deren Männer und Jungen nicht mehr heimgekehrt sind bzw. deren heimgekehrter Bruder zerbrochen überlebt hat. Die Botschaft ist letztlich, dass das Leben auch nach einem Krieg weitergeht und jeder einen für sich akzeptablen Weg finden muss, weiterzumachen. Eine Erkenntnis bietet es außerdem. Um mit Eds Worten zu sprechen: „Der Krieg gewinnt …Und er wird immer gewinnen, wieder und wieder“. Gefesselt hat mich, dass die Verbindung zwischen Ada , Evelyn und Hettie erst sehr spät offenbar wurde und ich mich hautnah in die Zeit des Ersten Weltkrieges versetzt fühlte.

 

Ein beachtlicher Debütroman einer jungen englischen Autorin.