Rezension

Lässt einen mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück.

Das verbotene Glück der anderen - Manu Joseph

Das verbotene Glück der anderen
von Manu Joseph

Dieses Buch gehört für mich wieder zu den Büchern, die mich am Ende 'leer' zurücklassen, weil es eben bereits am Ende ist. Dieses Buch gehört für mich zu den Büchern, bei denen man noch einmal zurück blättert, wieder vorblättert und es geht dennoch einfach nicht mehr weiter.

Es ist wieder eine Geschichte aus Indien und wie so viele indischen Autoren schafft es auch Manu Joseph, mich mit seinem Roman in die faszinierende und so andere indische Kultur zu entführen. Man lernt einfach die Menschen und ihr Benehmen kennen, was hier immer auch besonders hervorgearbeitet wird: Mehrere große Häuser, Beschreibungen, wie die Frauen sich von den Männern verabschieden, wie ihr Alltag aussieht, wie sie reagieren, wenn etwas den Alltag durchbricht, wenn etwas Außergewöhnliches geschieht.

Und etwas Außergewöhnliches ist Familie Chacko geschehen: Ihr Sohn Unni hat Selbstmord begangen. Ohne einen Abschiedsbrief, ohne eine Spur, warum er es tat. Zwar ist dies schon länger her, doch keiner der drei kann loslassen.
Es ist einfach richtig, dass Ousep Chacko, nachdem er den Comic seines Sohnes per Post erhält, wieder loszieht und wissen will, warum Unni sich umbrachte. Denn welcher Vater möchte das nicht wissen? Dadurch, dass die Geschichte jedoch auch aus der Sicht von Mariamma Chacko und dem kleinen Bruder Thoma Chacko sowie Mythili, die junge Nachbarin, erzählt wird, erhält das Buch weitere Tiefen und Geheimnisse. Dazu kommen dann noch die Geschichten, die Freunde und Bekannte von Unni über ihn erzählen. So kommt Unni mir als Leserin wirklich nahe, obwohl ich ihn direkt nicht kennen lerne. Nur über andere Personen. Doch nicht nur ich lerne Unni kennen, auch sein Vater entdeckt einen neuen Unni und gräbt immer tiefer, bis er zu Geheimnissen kommt, von denen er noch nichts wusste.
Tatsächlich war es so, dass ich unterschiedliche Vermutungen hatte, warum Unni sich getötet hat, doch keine davon hat sich als korrekt herausgestellt. Im Gegenteil: Immer wenn ich neue Möglichkeiten hatte, haben die sich in Luft aufgelöst und ich stand wieder vor dem immer gleichen Rätsel. Was sagt der Comic aus? Warum hat Unni sich umgebracht?
Die Figur Unni Chacko hat mich von Seite zu Seite mehr fasziniert. Ich möchte gar nicht mehr zu ihm schreiben, denn dann würde ich eindeutig das Lesevergnügen mindern. Unni ist wirklich ein außergewöhnlicher Mensch...
Auch die anderen Figuren sind mit ihren Schwächen gelungen - sehr menschlich, sehr nahbar und man hat Verständnis. Dabei ist es Manu Joseph wirklich gelungen, diese Charaktere auch humorvoll zu beschreiben, obwohl nicht jede Geschichte zum Lachen ist.

Hervorzuheben sind auch Unnis Comics, die immer wieder beschrieben werden. Diese sind so bildhaft in Worte gefasst, dass ich keine Probleme hatte, mir die teils doch sehr außergewöhnlichen Comics vorzustellen. Auch diese sind nur ein weiterer Punkt, der das außergewöhnliche Denken Unnis aufzeigt. Trotzdem eine wundervolle Idee und gelungen integriert.

Es gibt viele Gedankengänge, die mich auch ein bisschen nachdenklich gestimmt haben. Aber es gibt auch Gedankengänge, die ich einfach so hinnahm und für gut befand. Hängen geblieben ist da beispielsweise Unnis Vorstellung, dass der Hinduismus nur ein gigantisches Comic-Werk ist. Faszinierend, oder?

Fazit

Das verbotene Glück der anderen ist ein wirklich faszinierendes Buch, das einen nicht nur die Familie Chacko und ihre Geheimnisse oder den verstorbenen Unni nahe bringt, es bietet auch Einblicke in den indischen Alltag. Dazu kommen interessante Ideen und ein Ende, das mich etwas sprachlos zurücklässt, weil ich einfach fassen konnte, dass das Buch wirklich zu Ende war.
Ein Buch, das man wirklich mit einem lachenden und einem weinenden Auge liest.