Rezension

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Leben auf dem Pulverfass

Der Krieg und das Mädchen - Jürgen Seidel

Der Krieg und das Mädchen
von Jürgen Seidel

Bewertet mit 4 Sternen

Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges gibt es in Berlin eine Gruppe Jugendlicher, die einen Club, die „Somnambulen“, gründeten, um über ihre Pläne, Vorstellungen und anderes zu diskutieren.

Mila Pigeon lebt seit dem Tod ihres Vaters allein mit der Mutter zusammen. Das ist recht ungewöhnlich. Deshalb und weil der Vater Franzose war, werden sie häufig angefeindet.

Auf der Fahrt zur „Sommerfrische“ an den Müggelsee lernt Mila in der Bahn Sheena Gilges kennen. Sheena hat ihre eigenen, für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlichen Vorstellungen vom Leben. Dies und ihre Verbindungen zu pazifistischen Gruppen behagen ihren wohlhabenden Eltern natürlich nicht. Durch Sheena werden Mila und ihre Mutter in Ereignisse hineingezogen, die eigentlich nichts mit ihnen zu tun haben.

Milas Freundschaft zu Fritz ist belastet, denn Fritz wird nicht damit fertig, dass er sich zu Rasmus hingezogen fühlt. Er betrachtet das als Krankheit und will diese ausmerzen.

Man muss sich erst in die Geschichte hineinfinden, dann wird man mit der Zeit vom Buch gepackt.

Die Geschichte spielt in einer Zeit, in der sich alle auf einem Pulverfass bewegen. Da sind auf der einen Seite die verpönten Pazifisten, auf der anderen die Kriegsbegeisterten. Den Jugendlichen wird Vaterlandstreue, Krieg und Heldentod als etwas Erstrebenswertes vermittelt, dabei müsste man es aufgrund der Geschichte eigentlich besser wissen. Aber die Wirtschaft verspricht sich sagenhafte Gewinne durch den Krieg.

Die Sprache versetzt uns in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Durch den Schreibstil wirkt die Geschichte authentisch und man kann den Wahnsinn der Zeit gut erspüren. Da ist einerseits Angst, andererseits Kriegsbegeisterung. Die männlichen Schüler sind eher euphorisch, was durch die Lehrer noch gefördert wird.

Das Denken und Handeln der Protagonisten wirkt manchmal seltsam, nicht immer konnte ich das Verhalten nachvollziehen. Einige verändern sich im Laufe der Geschichte, so dass man auch die Einstellung zu ihnen ändern muss. Mila ist ein sehr starkes Mädchen, das trotz der Schwierigkeiten seinen Weg geht. Fritz kann nicht zu sich selbst stehen und daher sucht er den Tod im Krieg.

Obwohl der Krieg stets präsent ist, wird nicht wirklich über Kriegshandlungen berichtet.

Das Buch vermittelt uns wunderbar ein Stück deutscher Geschichte, ist aber nicht einfach, selbst für erwachsene Leser nicht. Die angestrebte Zielgruppe „ab 12 Jahre“ wird von dem Buch wahrscheinlich nicht so  angesprochen.