Rezension

Lesenswert

Mittagsstunde - Dörte Hansen

Mittagsstunde
von Dörte Hansen

Bewertet mit 5 Sternen

"Mittagsstunde" trifft genau meinen Nerv. Ich bin selbst 1962 geboren und in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Zwar nicht in Norddeutschland, sondern in Bayern, aber gibt es hier überhaupt Unterschiede? Ich glaube nicht. Abgesehen von der hier eingestreuten plattdeutschen Sprache, die den Roman angenehm bereichert, sehe ich wenige. Das Dorfleben ist wohl überall gleich. Da gibt es viel Gerede und seltsame, skurrile Charaktere.  Dörte Hansen jongliert wahrhaft meisterlich mit ihren Worten. Kaum ein Satz, der nicht passt, kaum ein Abschnitt der nicht die Situation bis ins letzte Detail widergibt. Oft ist das tragisch, traurig, macht betroffen, aber dann blitzt da wieder dieser subtile Humor durch und lässt den Leser schmunzeln. Die Autorin schreibt beinahe nebensächlich, ohne Aufregung, aber trotzdem ist man wie gefesselt vom Buch. Es ist, als ob man in seine eigenen Vergangenheit reist und alles wieder von vorne beginnt. Mich hat das Buch sehr berührt und mich über meine Jugend nachdenken lassen. Ich konnte, wie Ingwer Feddersen, auch nicht schnell genug wegkommen. Wenn ich heute in mein Heimatdorf fahre, ist es fast ausgestorben, es gibt kaum noch Bauern.  Die Charaktere hat die Autorin sehr fein gezeichnet. Sie wirken wie aus dem echten Leben. Genau solche Menschen bringt das Landleben hervor.  Ich kenne Dörte Hansens Debütroman nicht, was ich schleunigst ändern werde, denn wenn man den Rezensionen trauen darf, ist er sogar noch besser, als dieser hier. Fast nicht vorstellbar, denn Mittagsstunde gehört zu meinen absoluten Highlights aus dem vergangenen Jahr.