Rezension

„Licht“, man gebe mir Licht!

Dunkelheit - Connie Willis

Dunkelheit
von Connie Willis

Bewertet mit 5 Sternen

20 Jahre nach „Die Farben der Zeit“ schickt Connie Willis ihre Oxford Time Travel-Gesellschaft noch einmal ins Rennen, erhält dafür den Hugo-, den Nebula- und den Locus-Award und ist in Deutschland weitgehend unbekannt. Wie kann das sein? 
Ich bin schon lange bekennender Connie Willis Fan und auch dieses Mal wieder restlos begeistert. 

Es ist 2060. In Oxford erforscht man am historischen Institut schon seit Jahren die Vergangenheit durch Zeitreisen. Historiker können ihr spezielles Forschungsgebiet persönlich besuchen, allerdings unterliegt so eine Forschungsreise strengen Regeln und aufwendiger Vorbereitung. Professor Dunworthy leitet die Einsätze mit Umsicht und fester Hand, auch wenn er immer gerade nicht da ist. 
Im Augenblick ist allerdings irgendetwas aus dem Ruder geraten. Verschiedenste Reisetermine müssen kurzfristig verlegt werden. Historiker müssen kurz vor ihrem geplanten Einsatz umdisponieren. 

Auch wenn man es hier mit Science-Fiction zu tun hat, merkt man schnell: Dieses Buch ist anders als alles, was man sonst so zu lesen bekommt. Die physikalischen Voraussetzungen für Zeitreisen sind hier eher uninteressant. Die historische Gesellschaft verströmt auch im Jahr 2060 altehrwürdigen Forschergeist, englische Noblesse mit einer Spur Snobismus und britischem Humor. Um zeitzureisen muss man ein Netz umgelegt bekommen, geht durch den Vorhang und landet auf seiner Bühne. Das ist einfach, skurril und sehr charmant. Probleme gibt es trotzdem.
 
Drei Historiker scheinen 1940 zu stranden. Polly will den Blitzkrieg in London erleben, Eileen interessiert sich für evakuierte Kinder auf dem Land und Mike möchte die Helden der Evakuierung von Dünkirchen kennen lernen. Sie sind gut vorbereitet, für ihre Sicherheit in den Krisengebieten des zweiten Weltkriegs ist gesorgt, aber plötzlich funktioniert die Verbindung zur Basis nicht mehr. 
Auf sich allein gestellt, müssen sie unerwartet echten Gefahren trotzen. 

Der Leser macht hier tatsächlich eine Zeitreise. Mit den Protagonisten wird man mitten ins Kriegsgeschehen geworfen und erlebt den Alltag der kleinen Leute plastisch, mitreißend und nachvollziehbar. Polly, Eileen und Mike müssen für ihr Überleben sorgen. Dazu muss man im Londoner Bombenhagel auf Jobsuche gehen, eine Unterkunft und sichere Schutzkeller finden. Polly lernt die „Gegenwärtler“ besser kennen, als sie je wollte und man begleitet sie, ist mittendrin in den Kriegswirren.

Connie Willis lässt einen ein Stückchen Historie miterleben auf eine ganz ungewohnte Art, dafür aber umso eindrucksvoller. Mit sehr britischem Humor, Liebe zum Detail und echter Erzählkunst reißt sie den Leser mit. Wie auch bei ihren vorangegangenen Büchern war ich nach kurzer Zeit maximal gefesselt. Man braucht ein bisschen Eingewöhnungszeit, wird man doch einfach mitten ins Chaos geworfen. Aber schon nach ein paar Seiten lässt einen dieses Buch nicht mehr los.

„Dunkelheit“ ist ein großartiges Buch, fesselnd, originell und auch witzig, aber leider nur der halbe Spaß. Das Buch wurde in zwei Teilen herausgegeben, um den Lesern keinen 1500 Seiten Schinken zuzumuten. Deshalb hört es auch einfach mittendrin auf, was schlecht ist, weil man noch immer nicht weiß, was denn wohl die Zeitreisen behindert. Andererseits hat man auch noch 850 Seiten dieser aufregenden Geschichte vor sich. Ich bin wieder begeistert und freue mich auf mehr. „Licht“, man gebe mir Licht!