Rezension

Liebe und Mitmenschlichkeit in Zeiten des 1. Weltkrieges zu Füßen der schroffen Dolomitenriesen

Ein Tal in Licht und Schatten - Marie Buchinger

Ein Tal in Licht und Schatten
von Marie Buchinger

Bewertet mit 5 Sternen

Ist das nun ein historischer Roman? Ein bisschen. Eine Liebesgeschichte? Ein bisschen. Ein Buch über den Krieg und was er den Menschen antut und wie sie damit umgehen? Auch das.

Wir begeben uns Anfang des 20. Jahrhunderts ins Reich der schroffen Bergriesen, der Dolomiten, nach Südtirol, ins Gadertal oder auch Val Badia, übrigens wunderbar anzusehen in den Fotos der Klappenbroschur. Es ist ein wenig abgelegen von allem, vom Fortschritt, von den Nachrichten aus der großen Welt. Es gibt keine Autos und keine Elektrizität und man spricht Ladinisch, eine romanische Sprache.

Die Familie Kastlunger wohnt schon seit Generationen hier und der Vater herrscht mit Härte und liebevoller Strenge über die vier Jungen und ihre kleine Schwester Elisa. Am Anfang des Buches gibt es ein Personenregister, zwar optisch ein wenig unübersichtlich, aber dennoch hilfreich, bis der Leser mit den Personen vertraut ist. Neue Nachbarn kommen an: Jakob Costa, der aus dem Dorf stammt, aber lange in der Toskana lebte, weil er eine Italienerin geheiratet hat. Sie, die zickige Tochter Chiara und der Sohn Vito haben Schwierigkeiten, sich in das Bergbauernleben einzufügen. Elisa hat gleich eine Zuneigung zu Vito gefasst, übtt mit ihm Ladinisch und Deutsch und auch ihr Bruder Mischi bemüht sich, ihm die Schönheit der Bergwelt nahezubringen.

Gerüchte vom Krieg machen die Runde und als tatsächlich 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, melden sich einige abenteuerliche junge Männer freiwillig, auch die beiden älteren Kastlungersöhne.

Elisa: "Aber musste man sich auf einen Krieg freuen?" (219)

Ansonsten möchte man glauben, dass das einsame Tal weit ab von allem Schrecken liegt. Doch auch hier schleicht sich der Krieg in Form von Listen ein, die Tote, Verwundete und Vermisste melden. Als dann auch noch 1915 Italien in den Krieg eintritt, bricht dieser mit Gewalt in das abgelegene Tal ein, das plötzlich nahe der Front liegt, denn die italienische Grenze ist nicht weit. Alle werden eingezogen, was für Vito besonders schlimm ist, nicht nur, weil er und Elisa sich ineinander verliebt haben und sich nun trennen müssen, sondern auch, weil er sich als halber Italiener zwischen dem österreichischen Tirol und Italien hin- und hergerissen fühlt.

Die Begeisterung der jungen Männer ist schnell dahin, als der Schrecken des Krieges sie mit voller Wucht trifft. Marie Buchinger schildert aber hier keine grausamen Details, sondern lässt in sparsamen Handlungen und Worten deutlich werden, was es heißt, gegeneinander zu kämpfen, einander zu töten. Es scheint, als ob der Krieg bei den guten Menschen das Schlechte hervorbringt, das in jedem steckt und dass die wirklich Schlechten und die Sadisten Gelegenheit bekommen, ihre Grausamkeiten ungestraft auszuleben.

Daheim im Dorf sieht es auch schlecht aus: Vieh wird von der Armee requiriert, die Frauen müssen alleine die ganze Arbeit bewältigen, was der resoluten Elisa mit Hilfe von Chiara allerdings recht gut gelingt.

Wie es mit den beiden Familien weiter geht, wer aus dem Krieg zurück kommt und wer nicht, ob es ein gemeinsames Leben für Elisa und Vito geben wird, das muss der Leser selbst herausfinden.

Das Buch fängt ein wenig verhalten an, am Anfang ist etwas Geduld erforderlich, aber dann nimmt es Fahrt auf und lässt den Leser kaum noch los. Feine Charakterisierungen, sparsame Schilderungen der Bergwelt und vor allem trotz des Kriegsgeschehens Hoffnungsschimmer von Mitmenschlichkeit. Wieder einmal wird deutlich, dass Kriege sich aus den Machtbestrebungen von verantwortlichen Königen, Kaisern, Politikern nähren und dass jeder normale Mensch eigentlich nur in Frieden leben und glücklich sein möchte.

Ein sehr empfehlenswertes Buch voller Mitmenschlichkeit und Hoffnung, das zudem ganz nebenbei einen kleinen Einblick in die Geschichte Südtirols gibt.

Weiterführende Links (Informationen und Fotos zum Alpenkrieg) auf meinem Bücherblog:

https://federfeeblog.wordpress.com/2016/10/11/buchinger-licht-und-schatten/

 

Kommentare

Arietta kommentierte am 11. Oktober 2016 um 14:21

Oh, das ist ein Buch für mich, das werde ich mir Kaufen.

Genau mein Genre. Danke für deine Tolle Rezi !

Federfee kommentierte am 11. Oktober 2016 um 14:34

Danke für dein Lob. Ich kann es wirklich nur empfehlen. Nach einem behäbigen Anfang konnte ich es irgendwann nicht mehr aus der Hand legen. In ein Genre wollte ich es nicht einordnen. Eigentlich lese ich keine historischen Romane (z.B. aus dem Mittelalter), aber dieses buch ist mehr, wie ich auch oben schrieb.