Rezension

Macht Gänsehaut auf eine andere Art

The Foster Family -

The Foster Family
von Nicole Trope

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als im kleinen australischen Ort Gilmore der kleine Joe eines Morgens aus dem Vorgarten eines Ferienhauses verschwindet, wird gleich ein Großaufgebot aufgestellt, um den kleinen Jungen zu finden. Seine Eltern, oder besser gesagt seine Pflegeeltern, scheinen auf den ersten Blick besorgt, doch schnell wird klar, hier stimmt etwas nicht. Während Pflegevater Howard den Verdacht auf den älteren Herren, Gordon, von Gegenüber schiebt, weiß Gordon allerdings viel mehr darüber, was im Ferienhaus nicht stimmte.
Das düstere Cover und der Klappentexte weckten meine Aufmerksamkeit auf die Geschichte. Tatsächlich fällt es auch sehr leicht, in die Geschichte rund um die Pflegefamilie Ealy hineinzufinden, aber auch hier vorweg: Achtung, hier handelt es sich wirklich um harten Tobak. Ich als Mutter eines kleinen Jungen, der nur etwas älter ist als der kleine Joe im Buch, musste so manches Mal schlucken, denn es geht hier um häusliche Gewalt und diese leider auch gegen Kinder.
Der Autorin Nicole Trope ist es sehr gut gelungen, diese Scheinwelt einer nach außen hin glücklich wirkenden Familie aufzuzeigen, denn wie so oft, wenn es zu Gewalt innerhalb einer Familie kommt, merken das Außenstehende nicht gleich. Hier verlangt es einfach auch nach Aufmerksamkeit aus dem Umfeld, denn es gibt durchaus Anzeichen, an denen man merken kann, dass etwas nicht stimmt.
Mir hat der Schreibstil der Autorin gut gefallen, er liest sich leicht und flüssig und man konnte sich die Begebenheiten gut vorstellen. Auf unterschiedlichen Zeitebenen und mehreren Perspektiven erzählt die Autorin von den Ereignissen rund um die Familie Ealy. Es gibt hier Zeitsprünge aus der Zeit mehrere Tage vor dem Verschwinden des Kindes, bis hin zu kurzen Momenten bevor er fort ist und in der Gegenwart. Ein weiterer Erzählstrang liefert eine Perspektive in einer ganz anderen Richtung und zehn Jahre in der Vergangenheit, tatsächlich habe ich hier aber recht schnell eine Verbindung zur Gegenwart ziehen können. Aber auch sonst verknüpft die Autorin die verschiedenen Zeiten gut miteinander und die Zusammenhänge sind problemlos zu verstehen.
Spannend ist diese Geschichte allemal, wenn auch wirklich sehr verstörend, denn der Autorin gelingt es meiner Meinung nach ganz ausgezeichnet gerade den Familienvater extrem gut darzustellen. Die Wutanfälle, das Realisieren, was er getan hat und dann der Zusammenbruch mit dem Bereuen waren einfach sehr glaubhaft geschildert.
Aber nicht nur Howard Ealy wirkte authentisch, auch die weiteren Charaktere, wie seine Frau und der kleine Joe, der bereits schlechte Erfahrungen in der eigenen Familie gemacht hat, erhalten ein ganz klares Bild. Das allerdings macht es dem Leser auch sehr schwer, denn wie gesagt, verschönigt wird hier nichts. Elizabeth, die immer wieder Gründe sucht, Howard zu verzeihen, der Kleine, der mit gerade einmal fünf Jahren schon weiß, wann er sich besser zurückziehen muss, all das wirkt sehr glaubhaft.
Besonders gut gefallen hat mir der pensionierte Nachbar Gordon, einst ein Lehrer kennt er sich, leider, damit aus, wie Kinder sich verhalten, wenn sie auf häusliche Gewalt reagieren. Er beobachtet die Ealys vom ersten Tag an und spürt schnell, dass da nichts in Ordnung ist. Allerdings leidet Gordon an beginnender Demenz und manchmal weiß er einfach selbst nicht, was er genau zu wissen glaubt.
Mein Fazit: eine extrem berührende, sehr emotionale und auch völlig authentische Geschichte, die den Leser schonungslos zeigt, was in Familien, in der es zur häuslichen Gewalt kommt, zugeht. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dieses Buch unheimlich triggert und mir als Mama standen in manchen Situationen Tränen in den Augen. Wer mit diesem Thema umgehen kann, der erhält hier auf jeden Fall eine Leseempfehlung! Passt auf euch und eure Umwelt auf, manchmal kann ein wenig Aufmerksamkeit Leben retten.