Rezension

Manchmal ist weniger mehr

Gefrorener Schrei - Tana French

Gefrorener Schrei
von Tana French

~~Die irischen Autorin Tana French schreibt Kriminalromane der besonderen Art. Genretypisch gibt es natürlich gewaltsame Todesfälle, eine Mordkommission, die in Dublin beheimatet ist und ein Team von Kriminalbeamten, das die Fälle bearbeitet. Das  war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten, denn French setzt andere Prioritäten. Es ist zwar die Beschreibung der Polizeiarbeit, die ihr die Folie liefert, vor deren Hintergrund sie das en détail schildert, was ihr am Herzen liegt, nämlich die Psyche ihrer Ermittler. Und so ganz nebenbei reißt sie auch immer wieder gesellschaftspolitische Themen an. In dem aktuellen Fall geht es unter anderem um die Frage, inwieweit sich Frauen anpassen bzw. verbiegen müssen, um Anerkennung zu erlangen und akzeptiert zu werden.

„Gefrorener Schrei“ ist der sechste Band der Reihe, und diesmal geht es um den Tod einer jungen Frau, die in Erwartung eines romantischen Abendessens von ihrem Liebhaber ermordet wurde. So weit, so klar – oder etwa doch nicht? Antoinette Conway und Stephen Moran wird der Fall übertragen, und der Leser begleitet die beiden Detectives in ihrem Arbeitsalltag. Und genau das ist wieder eine der Besonderheiten der Autorin: in jedem ihrer bisherigen Romane steht ein anderes Ermittlergespann im Mittelpunkt, um das herum sie den Fall nach und nach aufrollt. Dabei versenkt sich die Autorin tief in das Seelenleben ihrer Protagonisten hinein und lässt den Leser nicht nur an den Spekulationen und Erfolgen, sondern auch an deren Selbstzweifeln und Rückschlägen teilhaben. Der vorliegende Roman ist aus Conways Sicht erzählt, aktuell die einzige Frau im Team der Mordkommission, die dementsprechend misstrauisch von ihren männlichen Kollegen beäugt wird und von Anfang an die Ellenbogen  ausfahren muss, um sich Respekt zu verschaffen. Und obwohl sie einen guten Job macht, verweigern ihr die Kollegen die verdiente Anerkennung. Und da Rache ein Gericht ist, das am  besten kalt serviert wird, enthält sie ihnen dafür wichtige Ermittlungsergebnisse vor. Und so kann sie mit ihrem Partner Moran in aller Ruhe der Vermutung nachgehen, die sie seit Beginn der Untersuchung hat: jemand aus dem Team behindert die Aufklärung des Mordes. Wer ist es, und welches Interesse steckt dahinter? Und gab es eine Verbindung zwischen der Toten und einem von Conways Kollegen?

Die ersten vier Romane Tana Frenchs habe ich sehr gerne gelesen, „Geheimer Ort“ (Bd. 5) konnte mich leider nicht überzeugen, was aber vielleicht auch damit zusammenhing, dass mich der Plot immer wieder an Donna Tartts Roman „Die geheime Geschichte“ erinnert hat.

„Gefrorener Schrei“ nun lässt mich zwiespältig zurück. Viel zu viel Nabelschau der Protagonisten, viel zu viele Was-wäre-wenn Szenarien, die unnötige Längen kreieren und so die Geduld des Lesers auf eine harte Probe stellen. Bleibt mir nur zu schlussfolgern, dass die eine oder andere Kürzung die Story mit Sicherheit nicht verfremdet, sondern ihr im Gegenteil eher gut getan hätte.