Rezension

Misshandelt und gedemütigt

Risse -

Risse
von Angelika Klüssendorf

Bewertet mit 3 Sternen

Kurzmeinung: Diesen Roman habe ich mehr gehasst als geliebt.

Von den Kindheitsbewältigungen in den diesjährigen Romanen, die für den Deutschen Buchpreis 2023 nominiert sind, ist „Risse“ das brutalste Buch. Dennoch meine ich, dass eine unglückliche Kindheit zum Therapeuten gehört und nicht auf mein Lesepult. Jedenfalls dann nicht, wenn es kontextlich nicht eingebettet ist in nachträgliche Reflexionen, Systemkritik whatsover.

Zum Inhalt: Die Protagonistin wird in der DDR in den 70er Jahren von einer alkoholkranken Mutter aufs Gröbste mishandelt und gedemütigt; der gleichgültige Vater, der eine Kneipe besitzt, und ebenfalls Alkholiker sein dürfte, ist kaum besser. Als das Kind wegläuft, bringt man es zurück zu den Eltern. Bei erneuten Ausbruchsversuchen, glaubt man ihm nicht, schließlich landet es im Heim, wo die Lebensbedingungen nicht besser sind. Zeitsprung. Das Mädchen ist Polizistin. Ende.

Der Kommentar: 
Sicherlich ist „Risse“ ein erschütternder Bericht über eine gestohlene Kindheit. Homo homini lupus. Den Bruch am Ende verstehe ich jedoch nicht. Wie sind wir so plötzlich von A nach B gekommen? Von gerade eben noch misshandelter und hilfloser Kreatur, ein Spielball der Mächte Eltern, Heim, Erzieher, Staat zu einem Ausbildungsberuf und angesehenem Berufsbild? 

Was bringt es, wenn ich darüber jetzt lesen muss? Weil ich mich für die Nominierten des Deutschen Buchpreises interessiere? Mein Mitgefühl ist Angelika Klüssendorf sicher, doch hätte es mich viel mehr interessiert, wie sie ihre Kindheit bewältigt hat und eine angesehene Schriftstellerin wurde. Nicht dass ich auch nur eine einzige Zeile von ihr vorher gekannt hätte. Sind wir  es ihr schuldig, dass wir ihren Roman mögen? Ich mag ihn nicht.

Fazit: Sorry. Trotzdem. Not my cup of tea.

Kategorie: Teilbiografie. Autofiktional.
Auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023
Verlag: Piper, 2023