Rezension

mit genügend Ausdauer ein perfekter Lesegenuss

Der Übergang - Justin Cronin

Der Übergang
von Justin Cronin

Zitat:

„Jetzt war der Krieg überall, er metastasierte wie eine Million durchgeknallter Zellen, die rund um den Planeten Amok liefen, und jeder war mittendrin.“

(S. 79)

 

„Noch nie hatte er so etwas empfunden – eine solche Explosion von Klarheit. Sein ganzes Leben schien sich hinter dieser Sache zu versammeln, hinter diesem einen Ziel.“

(S. 185)

 

„Es war möglich, begriff er, dass das Leben eines Menschen nichts weiter war als eine lange Serie von Fehlern, und das Ende, wenn es denn kam, war auch nur ein weiteres Ergebnis falscher Entscheidungen. Das Dumme war, die meisten dieser Fehler waren von anderen Leuten geborgt.“

(S. 246)

 

Inhalt:

Jeanette opfert sich, trotz äußerst widriger Umstände, für ihre kleine Tochter Amy förmlich auf. Sie schreckt nicht einmal davor zurück, sich zu prostituieren. Bei den Nonnen glaubt sie schließlich die Kleine in Sicherheit. Gerademal sechs Jahre alt ist Amy. Doch der Schein der Sicherheit trügt! Die FBI-Agenten Wolgast und Doyle können Amy aufspüren. Sie ist das Opfer, das sie brauchen. Aber es läuft nicht so, wie ursprünglich geplant. Wolgast entwickelt verbotene Vatergefühle für Amy. Doch vor dem Experiment kann er sie nicht retten. Und plötzlich scheint Amy der Schlüssel zur lang gesuchten Antwort zu sein. Ein kleines Mädchen wird zum Mittelpunkt, der es nie sein wollte. Wie lange kann die Lage beherrscht werden?

 

Meinung:

„Der Übergang“ kommt in äußerst imposanten Ausmaßen daher. Durch viele positive Meinungen in meiner Entscheidung gestärkt, wollte ich das Buch nun endlich auch lesen. Dennoch schreckt man erstmal vor beachtlichen über eintausend Seiten zurück. Ich denke, das ist ein ganz normales Verhalten. Ich bin froh, den Mut und die Zeit gefunden zu haben, diese Geschichte anzugehen. Ich glaube, ansonsten wäre mir wirklich etwas entgangen.

 

Im ersten Teil der Geschichte wurde ich mit den schwierigen Verhältnissen bekannt gemacht, in denen sich Amys Mutter Jeanette befindet. Nach und nach kristallisierte sich heraus, dass ich hier auf eine unendlich große Mutterliebe zu ihrer neugeborenen Tochter gestoßen war, die bereits hier so manches Tränenpotential enthalten hat. Doch trotz aller Aufopferungen; Jeanette kann Amy nur bis zu einem bestimmten Punkt schützen. Als sie merkt, dass sie die Verantwortung für die jetzt sechsjährige Tochter nicht mehr übernehmen kann, gibt sie diese weiter. Auch wenn ich nicht mit jeglichem Handeln von Jeanette einverstanden war, konnte ich vieles dennoch verstehen, konnte nachvollziehen, warum sie nun so und nicht anders vorgehen konnte. Konnte empfinden, dass Mutterliebe unendlich sein kann. Trotz dessen, was Amys Mutter letztendlich getan hat. Immer stand für sie die Liebe zu ihrer Tochter im Vordergrund. Genau dafür hat sie sich aufgeopfert.

 

Die in Vergangenheitsform aus verschiedenen Sichten und mitunter sogar Zeitformen erzählte Geschichte entwickelt nach und nach ihren Drive. Justin Cronin konnte mich von Beginn an von seiner Geschichte überzeugen, konnte aufzeigen, dass noch so unterschiedliche Handlungsstränge dennoch zu einem gemeinsamen Ende führen können.

 

Der Autor experimentiert mit verschiedenen Erzählformen, was ich zumindest recht interessant und Neugier weckend empfand. Nachdem ich den Beginn der Geschichte aus Jeanettes Sicht erlebt hatte, wechselten erstens die Perspektiven aus Sicht der fortlaufend eingebauten Charaktere sowie die Erzählformen selbst. Fand ich mich vorerst in einem erzählenden Stil ein wurde dieser sodann von einer Wiedergabe im E-Mail-Format bis hin zu einer Tagebuchversion bereichert. Ich sage ganz ehrlich…Man muss es mögen um es zu lieben! Bei mir war das der Fall.

 

Amy selbst bleibt während der ganzen Handlung entweder vollends im Hintergrund, oder greift, nachdem sie immer wieder in Erscheinung tritt, in kurzen Spotlights jeweils auf diese ein. Die Geschichte berichtet eher über sie, als dass sie die Geschehnisse bestimmt. Auch wenn dies dann doch das ein oder andere Mal der Fall ist.

 

Im Verlauf der Geschichte begegnete ich vielen weiteren Charakteren. Natürlich ist Amy eindeutig die Protagonistin, wenn sie auch oftmals aus dem Hintergrund agiert. Dennoch lernte ich viele weitere interessante Persönlichkeiten kennen, die einer Erwähnung definitiv wert sind.

 

Da haben wir zum einen Peter. Auf diesen Charakter stieß ich im weiteren Verlauf des Plots. Wirkte er anfangs ein bisschen zurückhaltend und sogar verbittert, zeigt er Stärke. Stärke und einen bedingungslosen Drang, seine Ziele zu erreichen. Diesen Drang kann niemand wirklich unterbinden, geschweige denn brechen… Peter ist eine Führungsnatur. Er wird euch überraschen.

 

Sofort war ich an der Seite von Mausami. Auch dieser Charakter taucht erst später in der Geschichte auf. Sie ist das beste Beispiel für eine gekränkte Eitelkeit, der im Nachhinein klar wird, welche Konsequenzen aus Sturheit entstehen können. Und trotz dieser Vorgaben war sie einer meiner Lieblinge in dieser Geschichte, weil Mausami trotz aller Engstirnigkeit doch den richtigen Weg findet und dennoch die Fehler der Vergangenheit nicht vergessen will. Ein großartiger Charakter!

 

Über Amy selbst wird größtenteils erzählt, als dass sie in die Handlung eingreift. Meistens ist Amy schmückendes Beiwerk, das der Handlung eine geheimnisvolle Atmosphäre und durchweg wirkende Spannung bereitet, jedoch selten in den Vordergrund tritt. Die Protagonistin ist aus meiner Sicht, wie sollte es auch anders sein, wirklich wichtig für die Handlung, vorangetrieben wird diese jedoch nicht von ihr. Hier laufen ihr mitunter andere Persönlichkeiten den Rang ab. Dennoch ist Amy ein Charakter, den man nicht missen möchte, ja, der auf keinen Fall fehlen darf.

 

Die Charaktere insgesamt hat der Autor sehr vorstellbar und authentisch beschrieben. Jeden Einzelnen konnte ich mir bis ins Detail vorstellen und die Charaktereigenschaften wirkten entsprechend auf mich ein.

 

Die ein oder andere Schilderung hätte der Autor mit Sicherheit kürzen können. Auch wenn ich nicht von einem ausufernden Stil sprechen will, wurden manche Details aus meiner Sicht dann doch zu genau beschrieben. Kleine Längen lassen sich bei einem Werk von über eintausend Seiten nicht verhindern, wären aus meiner Sicht insgesamt jedoch oftmals vermeidbar gewesen.

 

Justin Cronin hat hier ein Werk erschaffen, dessen Handlungsstränge vielfältig gestaltet wurden, aber eindeutig und zielstrebig aufeinander zu laufen. Alles, jede noch so kleine Nebensächlichkeit, ergibt im Nachhinein einen Sinn und verleiht der Handlung einen entsprechenden Schliff.

 

Mein größter Kritikpunkt ist hier definitiv die Länge der Geschichte. Man muss wirklich, trotz der spannend gestalteten Handlung und der vielen interessanten Nebenentwicklungen, eine richtige Leseausdauer aufbringen, um am Ball zu bleiben. Am Ende hatte ich das Gefühl, hier mindestens fünf Bände einer Serie gelesen zu haben. Die Struktur der Geschichte würde diese auch mindestens hergeben.

 

Das Ende des Buches, auch wenn es eher beruhigend ausklingend angelegt wurde, macht mich ziemlich neugierig auf die weiteren Entwicklungen im Folgeband. Dieser wird mit Sicherheit nicht lange darauf warten müssen, von mir gelesen zu werden!

 

Urteil:

„Der Übergang“ ist ein Buch im XXL-Format, das meine Ausdauer fast an die Grenzen getrieben, mich dennoch Seite für Seite gefesselt hat. Meinen enormen Lesegenuss mit vielen beeindruckenden Entwicklungen belohne ich deshalb mit sehr guten 4 Büchern.

 

Für alle Liebhaber perfekt entwickelter Welten, die vor Herausforderungen nicht zurückschrecken, verschiedenen Handlungssträngen problemlos folgen können und mit richtig gut dargestellten Charakteren belohnt werden wollen.

 

Die Serie:

1. Der Übergang

2. Die Zwölf

3. Originaltitel: The City of Mirrors

(voraussichtlicher Erscheinungstermin 2014)

 

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