Rezension

Mutterliebe

Morgen vielleicht - Jessica Soffer

Morgen vielleicht
von Jessica Soffer

Bewertet mit 4 Sternen

Die 14jährige Lorca will mit allen Mitteln die Liebe und Aufmerksamkeit ihrer Mutter erlangen und verletzt sich von klein auf selbst. Als ihre Mutter, eine begnadete Köchin und als Kind adoptiert, sie deshalb auf ein Internat abschieben will, bemüht sich Lorca durch das Kochen der Lieblingsspeise ihrer Mutter alles wiedergutzumachen – Masgouf, ein irakisches Fischgericht. Auf der Suche nach dem Rezept trifft Lorca auf die gerade verwitwete Victoria, die als irakisch-jüdischer Flüchtling vor vielen Jahren aus Liebe zu ihrem Mann Joseph ihre Tochter zur Adoption freigegeben hat. Jetzt will sie ihre Tochter suchen. Über das gemeinsame Kochen entsteht zwischen Lorca und Victoria eine tiefe Verbundenheit, die sie in Verbindung mit gewissen Indizien annehmen lässt, sie seien Enkelin und Großmutter. Ist es wirklich so?

 

In dem Debütroman der amerikanischen Autorin Jessica Soffer geht es im Wesentlichen um die Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Aufgezeigt wird einmal die Beziehung zwischen Lorca und ihrer Mutter. Lorca hungert nach der Aufmerksamkeit ihrer Mutter. Diese ist unfähig zu lieben. Sie bleibt immer distanziert und reagiert nicht. Dafür sucht Lorca die Schuld bei sich. Zum anderen gibt es noch die Beziehung  zwischen Victoria und ihrer zur Adoption freigegebenen Tochter. Absurd ist, dass Victoria nie aufgehört hat, ihr Kind zu lieben, es aber dennoch aus Liebe zu ihrem Mann fortgegeben hat. Bei ihm, der das Kind so sehr gewollt hatte, befürchtete sie, er könne das Kind mehr lieben als sie selbst und sie stehe außen vor.

Das Thema Liebe wird daneben auf der Ebene der Beziehung zwischen Lorcas Eltern angesprochen, der Ehe zwischen Victoria und Joseph und der beginnenden ersten Liebe zwischen Lorca und dem jungen, ehemals drogensüchtigen Blot.

 

Abgesehen von der Liebe bzw. der Sehnsucht nach ihr spielt die Magie von Speisen eine Rolle. Wir lernen viele exotische Gerichte nach irakischer und jüdischer Rezeptur kennen. Schön ist der Abdruck des Rezepts des in der Geschichte so bedeutsamen Masgouf am Buchende.

 

Die Geschichte ist gefühlvoll mit viel Einfühlungsvermögen geschrieben. Das Romanende ist sehr viel weniger voraussehbar, als es der Klappentext  oder die Lektüre des Buches über weite Strecken erwarten lassen.

 

Sehr schön gestaltet ist das Cover. In Verbindung mit dem Buchtitel gibt es eine Textpassage aus so ziemlich der Mitte des Buches wieder: „Im Arabischen (gibt es) ein Sprichwort: bukra fil mischmisch. Morgen, wenn die Aprikosen blühen. Oder anders gesagt, morgen vielleicht.“ (S. 189).

 

Das Buch ist anspruchsvoll geschrieben und lässt sich nicht mal so nebenbei lesen. Ich kann es aber unbedingt empfehlen.