Rezension

Negieren bis zum Explodieren

Die Stadt der Lebenden -

Die Stadt der Lebenden
von Nicola Lagioia

Rom, eine Stadt am ständigen Rande des Zusammenbruchs an einem ganz gewöhnlichen Märzmorgen. Doch ein junger Mann liegt grausam ermordet in einer Wohnung. Nichts hat zuvor auf die Tat hingewiesen und auch im Nachhinein bleibt sie unerklärlich. Eine wahre Horror-Geschichte, ein eindringlicher Versuch, abseits von Sensationsgeilheit Antworten zu finden. Definitiv nichts für unter den Christbaum! Für wen: Jene, die es noch nicht aufgegeben haben, die menschlichen Abgründe verstehen zu wollen, welche sich hinter ganz normalen Gesichtern auftun

Anhand eines tatsächlich geschehenen grauenhaften Mordes, fragt sich der Autor Nicola Lagioia, inwieweit der Ort, an dem wir wohnen die menschlichen Handlungen beeinflusst. 

Die Tötung eines jungen Römers wurde an einem Märzmorgen des Jahres 2016 entdeckt. Lagioia beschreibt die Stadt als Moloch, in der das Chaos omnipräsent ist und in der sich jeder irgendwie durchwurstelt. Der Schwierigkeiten sind viele: ein politisches Wirrwarr, das eher Probleme schafft, als sie zu lösen versucht; eine nicht funktionierende Müllabfuhr samt Rattenplage biblischen Ausmasses; Verkehrschaos; Drogen; Korruption; Kriminalität. Und zwischen all dem der Mythos von der ewigen Stadt mit ihren baulichen und geschichtlichen Besonderheiten, derentwillen die Touristen anreisen.

Die Stadt der Lebenden ist kein Buch, das man vor dem Schlafengehen lesen sollte. Die Geschichte handelt vom unbegreifbar Dunklen und Bösen, zu dem wir Menschen fähig sind. Nicola Lagioia hat sich jahrelang und, wie er schreibt, obsessiv mit dem Mord an Luca Varani, einem dreiundzwanzigjährigen Jungen aus einem Römer Randbezirk, beschäftigt. Lucas Mörder waren Manuel Foffo und Marco Prato, beide etwas älter als Luca, beide aus guter Familie. Luca kam in der Wohnung von Manuel Foffo zu Tode, nachdem die beiden Täter ihn stundenlang gequält hatten. Einen Grund für ihr Handeln, sofern es denn für Mord eine Rechtfertigung gibt, hatten sie keinen. Dem Ermittlungsteam bot sich ein Bild des Grauens. Die Tat bot den Römern monatelang Stoff für Entsetzen, Berichterstattungen, Mutmassungen, Geschwätz, Schuldzuweisungen.

Nicola Lagioia hat sich zu Beginn als Journalist mit dem Fall beschäftigt. Das Buch liest sich als eine Art Feature oder Reportage. Für den Autor dürfte es eine Art Punkt hinter eine Geschichte sein, die ihn persönlich sehr betroffen gemacht hat und ihm lange Zeit keine Ruhe liess. Am Ende sind die aufgeworfenen Fragen nicht beantwortbar, auch wenn Lagioia sie von allen möglichen Seiten her und intelligent beleuchtet.

Der Autor hat Gutachten gelesen, Beteiligte befragt, Familienmitglieder, Beamte, Freunde usw. Er hat das Umfeld der drei jungen Männer durchleuchtet und versucht zu verstehen. Er schreibt, dass diese Geschichte nur in Rom passieren konnte. Ich wage ihm zu widersprechen. Die menschliche Natur weist Abgründe auf, die sich überall auftun können. Unnötig, einzelne Gräuel aufzuzählen, die ganz offensichtlich nur in völliger Abwesenheit von Mitmenschlichkeit und Verstand geschehen sind. Doch es braucht gewisse Voraussetzungen, damit sich das Böse manifestieren kann. Im Falle Luca Varani waren es zwei junge Männer, die mit ihrem Leben nicht zu Rande kamen, Drogen, eine aufgestaute Wut und vielleicht auch eine Stadt, in der das Explodieren ebenso zum Alltag gehört wie das Negieren. Eines der intensivsten Bücher, die mir dieses Jahr begegnet sind.

Titel: Die Stadt der Lebenden, gebunden

Autor/Autorin: Nicola Lagioia, aus dem Italienischen von Verena von Kaltbach

Verlag:  btb, 2023

ISBN 978-3-10-397501-7, SFr. 34.90/ 26.50 € 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anhand eines tatsächlich geschehenen grauenhaften Mordes, fragt sich der Autor Nicola Lagioia, inwieweit der Ort, an dem wir wohnen die menschlichen Handlungen beeinflusst. 

Die Tötung eines jungen Römers wurde an einem Märzmorgen des Jahres 2016 entdeckt. Lagioia beschreibt die Stadt als Moloch, in der das Chaos omnipräsent ist und in der sich jeder irgendwie durchwurstelt. Der Schwierigkeiten sind viele: ein politisches Wirrwarr, das eher Probleme schafft, als sie zu lösen versucht; eine nicht funktionierende Müllabfuhr samt Rattenplage biblischen Ausmasses; Verkehrschaos; Drogen; Korruption; Kriminalität. Und zwischen all dem der Mythos von der ewigen Stadt mit ihren baulichen und geschichtlichen Besonderheiten, derentwillen die Touristen anreisen.

 

Die Stadt der Lebenden ist kein Buch, das man vor dem Schlafengehen lesen sollte. Die Geschichte handelt vom unbegreifbar Dunklen und Bösen, zu dem wir Menschen fähig sind. Nicola Lagioia hat sich jahrelang und, wie er schreibt, obsessiv mit dem Mord an Luca Varani, einem dreiundzwanzigjährigen Jungen aus einem Römer Randbezirk, beschäftigt. Lucas Mörder waren Manuel Foffo und Marco Prato, beide etwas älter als Luca, beide aus guter Familie. Luca kam in der Wohnung von Manuel Foffo zu Tode, nachdem die beiden Täter ihn stundenlang gequält hatten. Einen Grund für ihr Handeln, sofern es denn für Mord eine Rechtfertigung gibt, hatten sie keinen. Dem Ermittlungsteam bot sich ein Bild des Grauens. Die Tat bot den Römern monatelang Stoff für Entsetzen, Berichterstattungen, Mutmassungen, Geschwätz, Schuldzuweisungen.

 

Nicola Lagioia hat sich zu Beginn als Journalist mit dem Fall beschäftigt. Das Buch liest sich als eine Art Feature oder Reportage. Für den Autor dürfte es eine Art Punkt hinter eine Geschichte sein, die ihn persönlich sehr betroffen gemacht hat und ihm lange Zeit keine Ruhe liess. Am Ende sind die aufgeworfenen Fragen nicht beantwortbar, auch wenn Lagioia sie von allen möglichen Seiten her und intelligent beleuchtet.

 

Der Autor hat Gutachten gelesen, Beteiligte befragt, Familienmitglieder, Beamte, Freunde usw. Er hat das Umfeld der drei jungen Männer durchleuchtet und versucht zu verstehen. Er schreibt, dass diese Geschichte nur in Rom passieren konnte. Ich wage ihm zu widersprechen. Die menschliche Natur weist Abgründe auf, die sich überall auftun können. Unnötig, einzelne Gräuel aufzuzählen, die ganz offensichtlich nur in völliger Abwesenheit von Mitmenschlichkeit und Verstand geschehen sind. Doch es braucht gewisse Voraussetzungen, damit sich das Böse manifestieren kann. Im Falle Luca Varani waren es zwei junge Männer, die mit ihrem Leben nicht zu Rande kamen, Drogen, eine aufgestaute Wut und vielleicht auch eine Stadt, in der das Explodieren ebenso zum Alltag gehört wie das Negieren. Eines der intensivsten Bücher, die mir dieses Jahr begegnet sind.

 

Titel: Die Stadt der Lebenden, 144 Seiten, gebunden

 

Autor/Autorin: Nicola Lagioia, aus dem Italienischen von Verena von Kaltbach

 

Verlag:  btb, 2023

 

ISBN 978-3-10-397501-7, SFr. 34.990/ 26.50 € 

 

Kurz zusammengefasst: Rom, eine Stadt am ständigen Rande des Zusammenbruchs an einem ganz gewöhnlichen Märzmorgen. Doch ein junger Mann liegt grausam ermordet in einer Wohnung. Nichts hat zuvor auf die Tat hingewiesen und auch im Nachhinein bleibt sie unerklärlich. Eine wahre Horror-Geschichte, ein eindringlicher Versuch, abseits von Sensationsgeilheit Antworten zu finden. Definitiv nichts für unter den Christbaum!

 

Für wen: Jene, die es noch nicht aufgegeben haben, die menschlichen Abgründe verstehen zu wollen, welche sich hinter ganz normalen Gesichtern auftun

 

 

 

 

 

Lagioia Nicola_die Stadt der Lebenden

 

Negieren und Explodieren

 

Anhand eines tatsächlich geschehenen grauenhaften Mordes, fragt sich der Autor Nicola Lagioia, inwieweit der Ort, an dem wir wohnen die menschlichen Handlungen beeinflusst. 

Die Tötung eines jungen Römers wurde an einem Märzmorgen des Jahres 2016 entdeckt. Lagioia beschreibt die Stadt als Moloch, in der das Chaos omnipräsent ist und in der sich jeder irgendwie durchwurstelt. Der Schwierigkeiten sind viele: ein politisches Wirrwarr, das eher Probleme schafft, als sie zu lösen versucht; eine nicht funktionierende Müllabfuhr samt Rattenplage biblischen Ausmasses; Verkehrschaos; Drogen; Korruption; Kriminalität. Und zwischen all dem der Mythos von der ewigen Stadt mit ihren baulichen und geschichtlichen Besonderheiten, derentwillen die Touristen anreisen.

 

Die Stadt der Lebenden ist kein Buch, das man vor dem Schlafengehen lesen sollte. Die Geschichte handelt vom unbegreifbar Dunklen und Bösen, zu dem wir Menschen fähig sind. Nicola Lagioia hat sich jahrelang und, wie er schreibt, obsessiv mit dem Mord an Luca Varani, einem dreiundzwanzigjährigen Jungen aus einem Römer Randbezirk, beschäftigt. Lucas Mörder waren Manuel Foffo und Marco Prato, beide etwas älter als Luca, beide aus guter Familie. Luca kam in der Wohnung von Manuel Foffo zu Tode, nachdem die beiden Täter ihn stundenlang gequält hatten. Einen Grund für ihr Handeln, sofern es denn für Mord eine Rechtfertigung gibt, hatten sie keinen. Dem Ermittlungsteam bot sich ein Bild des Grauens. Die Tat bot den Römern monatelang Stoff für Entsetzen, Berichterstattungen, Mutmassungen, Geschwätz, Schuldzuweisungen.

 

Nicola Lagioia hat sich zu Beginn als Journalist mit dem Fall beschäftigt. Das Buch liest sich als eine Art Feature oder Reportage. Für den Autor dürfte es eine Art Punkt hinter eine Geschichte sein, die ihn persönlich sehr betroffen gemacht hat und ihm lange Zeit keine Ruhe liess. Am Ende sind die aufgeworfenen Fragen nicht beantwortbar, auch wenn Lagioia sie von allen möglichen Seiten her und intelligent beleuchtet.

 

Der Autor hat Gutachten gelesen, Beteiligte befragt, Familienmitglieder, Beamte, Freunde usw. Er hat das Umfeld der drei jungen Männer durchleuchtet und versucht zu verstehen. Er schreibt, dass diese Geschichte nur in Rom passieren konnte. Ich wage ihm zu widersprechen. Die menschliche Natur weist Abgründe auf, die sich überall auftun können. Unnötig, einzelne Gräuel aufzuzählen, die ganz offensichtlich nur in völliger Abwesenheit von Mitmenschlichkeit und Verstand geschehen sind. Doch es braucht gewisse Voraussetzungen, damit sich das Böse manifestieren kann. Im Falle Luca Varani waren es zwei junge Männer, die mit ihrem Leben nicht zu Rande kamen, Drogen, eine aufgestaute Wut und vielleicht auch eine Stadt, in der das Explodieren ebenso zum Alltag gehört wie das Negieren. Eines der intensivsten Bücher, die mir dieses Jahr begegnet sind.

 

Titel: Die Stadt der Lebenden, 144 Seiten, gebunden

 

Autor/Autorin: Nicola Lagioia, aus dem Italienischen von Verena von Kaltbach

 

Verlag:  btb, 2023

 

ISBN 978-3-10-397501-7, SFr. 34.990/ 26.50 € 

 

Kurz zusammengefasst: Rom, eine Stadt am ständigen Rande des Zusammenbruchs an einem ganz gewöhnlichen Märzmorgen. Doch ein junger Mann liegt grausam ermordet in einer Wohnung. Nichts hat zuvor auf die Tat hingewiesen und auch im Nachhinein bleibt sie unerklärlich. Eine wahre Horror-Geschichte, ein eindringlicher Versuch, abseits von Sensationsgeilheit Antworten zu finden. Definitiv nichts für unter den Christbaum!

 

Für wen: Jene, die es noch nicht aufgegeben haben, die menschlichen Abgründe verstehen zu wollen, welche sich hinter ganz normalen Gesichtern auftun