Rezension

Never fuck the boss!

Jane Eyre -

Jane Eyre
von Charlotte Bronte

Bewertet mit 4 Sternen

... Und das tut sie auch nicht. Die Gutste. Dabei hätte sie doch echt ein bißchen Glück verdient, nachdem sie schon als Baby zur Vollwaise wird, ihr reicher Onkel sich zwar um sie kümmert, bald aber verstirbt und die böse Stieftante samt ihrer zänkischen Stiefcousinen sie in ein Kinderheim abschieben, das von einem heuchlerischen Geistlichen geführt wird. Sie überlebt Hunger und Typhus und bleibt sogar noch zwei Jahre als Lehrerin in diesem Heim. Als ihre liebste Vertrauensperson wegheiratet, gibt sie ein Stellengesuch auf und ergattert einen Job als Gouvernante für ein Kind eines alleinerziehenden Vaters in einem stattlichen Herrenhaus mit vielen Zimmern. Oh, hatte ich schon erwähnt, dass wir uns im Viktorianischen England befinden?

Nun, Schirm, Charme und Melone tun ihre Pflicht, ein geziertes Hin und Her führt zum Ziel, der Herr des Hauses und das bescheidene, fleißige Fräulein verlieben sich, trotz immensen Alters- und Standesunterschieds. Da hilft nur ein wirklich triftiger Grund, hier nicht in die Friede-Freude-Eierkuchen-Falle einer überstürzten Hochzeit mit anschließender Entehrung, äh Ehevollzug zu tappen. Genau! Direkt bei der Frage in der Kirche, ob triftige Gründe gegen eine Verbindung... und möchte jetzt reden, oder für immer schweigen usw., kommt der vermeintliche Geschäftspartner gelaufen und entpuppt sich als Schwager, der sich der Lebendigkeit seiner Schwester und sogar des Aufenthalts im Herrensitz vor Kurzem noch selbst überzeugen konnte.

Unser Fräulein ist entsetzt und verliert vollends den Kopf, als ihr Sugar-Daddy das Angebot macht, doch als Konkubine mit ihm nach Frankreich zu gehen. Sie flieht kopflos (sie verlor ihn im vorauseilenden Satz), lässt Gewänder und Schmuck zurück, bezahlt mit ihrem letzten Geld die Fluchtkutsche, wird mitten im Nirgendwo abgesetzt und vergisst auch noch ihr bescheidenes Bündel im Fahrgastraum. Aus. Tot. Vorbei. Sollte man meinen, doch nach drei Tagen Hunger und Wald landet sie ohnmächtig auf den Treppenstufen eines blonden Jünglings und seinen zwei Schwestern. Sie darf bleiben und sich erholen und eine Dorfschullehrerin werden. Unser Fräulein tut dies aber unter falschem Namen, denn sie möchte nicht von alten Weggenossen entdeckt werden. Trotzdem dauert es nicht allzu lang und der blonde Herr entdeckt ihren richtigen Namen. Erbschaft und verschollene Verwandtschaft eröffnen der Entlarvten dann plötzlich ganz andere Möglichkeiten,... denkt sich auch der Blondschopf und will auch das Fräulein heiraten und mit nach Indien nehmen, um dort zu missionieren. Oh je!

Ein Ruf in der Nacht "Jane. Jane. Jane." wendet dann das Blatt noch einmal und ihr habt den Nachnamen sicher längst erraten. (Steht ja auch im Titel)

Wenn ich die Geschichte etwas flapsig erzählt habe, so ist es meinem anfänglichen Empfinden zu verdanken, das von übermäßigem Augenrollen begleitet wurde. Große Teile des Romans sind nichts für ein emanzipatorisches Gemüt. Doch mittendrin waren Stellen, die mich regelrecht in den Lesebann gezogen haben, Gruseliges, Geheimnisvolles, Romantisches, eben ein echter Gloria-Viktoria-Schmöker! Aber viel, viel wichtiger war es mir, endlich die Grundlage für meine Lieblingsadaption von Jasper FForde "Der Fall Jane Eyre" gelegt, und ganz nebenbei einen beeindruckenden Klassiker, der auch noch von einer Frau verfasst wurde, gelesen zu haben. Mehr als hundertsiebzig Jahre liegen zwischen der Erstveröffentlichung dieses Romans und dem heutigen Kampf der Geschlechter. Wenn man genauer hinschaut, finden sich noch einige Parallelen und das sollte uns zu denken geben. Denn meine Augen kann ich auch in "50 Grautönen" rollen. ;))

Kommentare

wandagreen kommentierte am 07. Mai 2023 um 07:01

Hahahaha, endlich weiß ich, was drin steht und dass ich es getrost auch weiterhin ignorieren kann. Was waren die schwülstig, die Damen und Herren des vikt. Zeitalters. Georgette Heyermässig. Aber wie. Ich weiß echt nicht, ob diese Story überhaupt als große Literatur gelten würde, wenn nicht von überspanntem weiblichem Gemüt geschrieben. Es klingt einfach grauenhaft.