Rezension

Nur die Stilistik verhindert ein Highlight

Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben -

Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben
von Genevieve Wheeler

Bewertet mit 4 Sternen

„Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben“ ist mir mehrfach begegnet, ehe ich dann wirklich auch mal zugeschlagen haben. Das mag daran liegen, dass der Titel jetzt nicht unbedingt eine romantische Geschichte versprochen hat und der Klappentext hat das dann auch noch bestätigt. Aber das Cover war dagegen einfach süß. Jetzt ist es nicht so, dass ich nur süße Liebesgeschichten lesen würde, aber die verschiedenen Signale haben mich schon etwas stutzig gemacht. Aber letztlich habe ich eben doch dem Buch eine Chance gegeben.

Das Buch ist für Fans von Sally Rooney und Colleen Hoover beworben worden. Während ich Erstere nur vom Namen her kenne und das vor allem wohl wegen ihrer Serienadaptionen, ist Hoover für mich tatsächlich eine Art Queen und das eben nicht, weil sie nur klassische Liebesgeschichten schreibt. In diesem Sinne hat das Marketing also recht, denn Genevieve Wheeler hat auch eine Geschichte geschaffen, die sich abseits von klassischen Normen bewegt. Es geht schon irgendwo um Liebe, aber um keine Bildbuchliebe, sondern um eine Liebe mit vielen tiefen Nuancen, wo es Schmerz genauso wie schöne Momente gibt. Tatsächlich liest man genau solche Geschichten viel zu wenig, wofür ich Wheeler sehr gerne lobe. Ihre Dankesworte lassen auch darauf schließen, dass „Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben“ eine sehr persönliche Geschichte ist und das erfordert eben dann auch noch Mut, zumal eben nichts beschönigt wird, sondern stattdessen eine ganz reale Erzählung geboten wurde.

Nun flippe ich bei „Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben“ aber nicht völlig aus und das liegt am Schreibstil. Schon während des Lesens, aber jetzt auch im Nachhinein habe ich mir viele Gedanken gemacht, was mir das Lese manches Mal erschwert hat. Der Stil ist auf jeden Fall ungewöhnlich. Wenn ich nicht gerade wissenschaftliche Lektüre lesen, so sind mir wahrscheinlich noch nie so viele Sätze in Klammern begegnet. Das war sicherlich schon einmal der erste Punkt, über den ich gestolpert bin. Zumal die Umklammerungen sehr unterschiedliche Funktionen übernommen haben. Mal ging es um direkte Kommentierungen, mal gab es Einblicke in die Zukunft und dann wieder sind andere Perspektiven eingeschoben worden. Ja, es war schon irritierend, zumal diese Technik dann auch noch einen anderen Eindruck verschärft haben. Dass eben die Autorin eine Stilistik gewählt hat, die sie von ihrer Geschichte oft genug entfernt hat. Ich hatte wirklich den Eindruck einer distanzierten Geschichte, was mich dann wiederum sehr überrascht hat, eben weil es für Wheeler ja persönlich zu sein scheint. Aber vielleicht brauchte sie dadurch umgekehrt die Distanz zu Adelaide, um diese Geschichte schreiben zu können. Das ist alles natürlich nur spekulativ, aber für die emotional doch so zugepackte Handlung habe ich nicht immer genug Nähe gespürt, um wirklich alles nachfühlen zu können.

Kommen wir aber nun noch zum Inhalt, denn eigentlich mochte ich sehr, was Wheeler durch Adelaide zu erzählen hatte. Denn es ist im Grunde nur ihre Geschichte. Ich habe gar nicht damit gerechnet, worauf die Handlung am Ende hinauswollte, weil ich eben mehr en Fokus auf toxischen Liebesgeschichten gesehen habe, da Adelaide eben schon als Jugendliche schwer missbraucht wurde und nun mit Rory auch in einem Sog steckt, der ihr sichtlich nicht gut tut. Deswegen habe ich wohl auch die ganzen Zeichen übersehen, was dann aber wiederum sinnbildlich ist, weil wir eben zu oft die Augen vor mentaler Gesundheit verschließen, entweder weil wir ihre Ernsthaftigkeit verleugnen oder weil wir als Teil eigener Unzulänglichkeiten sagen, kann ich nicht gebrauchen, kann ich mich nicht mit aufhalten. Ja, vielleicht ist es auch entlarvend. Aber das macht die Geschichte deswegen auch so gut. Auch wenn es mir die Stilistik oft genug erschwert hat und ich mindestens ein Drittel brauchte, um richtig reinzufinden, aber wenn ich am Ende komplett weiß, was passiere, dann ist eine wirklich gut ausgearbeitete Entwicklung gelungen, mit vielen Themenschwerpunkten, wo es stets um Realität statt um romantische Träumereien ging und wo trotz vielem Negativen immer das Positive doch blieb und andere Perspektiven noch angeboten hat.

Fazit: „Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben“ könnte wirklich richtig gut sein, wäre die Stilistik nicht. Sie ist etwas, woran man sich erstmal gewöhnen muss. Sie ist aber auch etwas, was unnötig Distanz schafft, was speziell in dieser tiefgründigen und vielschichtigen Handlung einfach schade ist. Dennoch würde ich das Lesen empfehlen, denn Wheeler hat eine sehr persönliche Geschichte verfasst, die mich trotz der Hindernisse berührt hat.